Nutzung des Bibers als Nahrungsquelle und Felllieferant

In einem in den Scientific Reports der Zeitschrift nature veröffentlichtem Artikel widmen sich unsere Kolleg:innen Sabine Gaudzinski-Windheuser und Lutz Kindler zusammen mit Wil Roebroeks von der Universität Leiden der Nutzung des Bibers als Nahrungsquelle und Felllieferant an der rund 400.000 Jahre alten Fundstelle Bilzingsleben.

Bei ihrem letzten Besuch im Landesmuseum für Vorgeschichte hatte das Team Gelegenheit, die Biberknochen aus dem etwa 400.000 Jahre alten Fundort Bilzingsleben (Thüringen, Deutschland) zu untersuchen. Anhand zahlreicher Schnittspuren an den Knochen konnten sie eine systematische Ausbeutung der Biber in Bilzingsleben nachweisen. In Kombination mit einem urzeitlich geprägten Sterblichkeitsprofil zeigt dieser Schnittmarkenbefund, dass die reiche Biberansammlung aus wiederholten menschlichen Jagdaktivitäten im Mittelpleistozän resultiert. Die Daten sind nicht nur der früheste Nachweis für die systematische Nutzung von Kleinwild (großen Nagetieren) nördlich der europäischen Gebirgsketten, sondern auch der bisher früheste eindeutige Fall von Bibernutzung im Pleistozän.

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Zusammenfassung des Artikels

Die Daten zur Subsistenzgrundlage früher Homininen sind stark zugunsten der tierischen Komponente ihrer Ernährung verzerrt, insbesondere der Überreste großer Säugetiere, die an archäologischen Fundorten im Allgemeinen viel besser erhalten sind als die Knochen kleinerer Tiere, ganz zu schweigen von den Überresten pflanzlicher Nahrung. Die Ausbeutung kleinerer Wildtiere ist vor den letzten Phasen des Pleistozäns nur sehr selten dokumentiert, was oft als Hinweis auf eine eingeschränkte Ernährung des archaischen Homo interpretiert wird und einen markanten wirtschaftlichen Unterschied zwischen spätpleistozänen und früheren Homininen darstellt.

Die Autoren stellen im Artikel neue Daten vor, die dieser Sichtweise auf die Homininen des mittleren Pleistozäns widersprechen: Schnittmarken, die eine systematische Ausbeutung von Bibern belegen, wurden in der großen Faunengruppe der ca. 400.000 Jahre alten Homininenfundstelle Bilzingsleben in Mitteldeutschland nachgewiesen. In Kombination mit einem Sterblichkeitsprofil, das von Menschen des ersten Lebensjahres dominiert wird, zeigen diese Schnittspuren, dass die reiche Biberpopulation das Ergebnis wiederholter menschlicher Jagdaktivitäten war, wobei der Schwerpunkt auf jungen erwachsenen Individuen lag.

Die Belege für die Nutzung des Bibers in Bilzingsleben zeigen, dass die Homininen des mittleren Pleistozäns eine größere Vielfalt an Beutetieren auswählten, als gemeinhin angenommen wird, und dass sie sich bereits vor 400.000 Jahren von einem breiten Spektrum an Beutetieren ernährten.

Autor:innen

  • Univ.-Prof. Dr. Sabine Gaudzinski-Windheuser, Leiterin von Monrepos, dem Archäologischen Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution
  • Lutz Kindler, Archäologie Monrepos/LEIZA
  • Prof. Dr. Wil Roebroeks, Universität Leiden
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