Forschungsprojekt

Anfänge der Urbanisierung im Rhein-Main-Gebiet

Der Kapellenberg bei Hofheim am Taunus vor 6000 Jahren

Zusammengefasst

In Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen (hessenARCHÄOLOGIE) und dem Magistrat der Stadt Hofheim untersucht das Leibniz-Zentrum für Archäologie die Besiedlung des Kapellenbergs bei Hofheim.

Das Rhein-Main-Gebiet mit der globalen Wirtschaftsmetropole Frankfurt und der Europäischen Zentralbank, dem internationalen Flughafen und den beiden Landeshauptstädten Wiesbaden und Mainz ist heute eine der zentralen wirtschaftlichen Drehscheiben in Europa. Alleine über den Frankfurter Flughafen werden jährlich über 50 Millionen Passagiere und über zwei Millionen Tonnen Fracht geschleust. Am Rheinhafen in Mainz wurden 2014 drei Millionen Tonnen umgeschlagen, das Frankfurter Kreuz passieren täglich 335.000 Fahrzeuge. Im Ballungsraum Rhein-Main leben derzeit etwa 4 Millionen Menschen.

Die europäische Drehscheibenfunktion ist im Wesentlichen durch die geographische Lage bestimmt: neben den sich hier kreuzenden Verbindungen zwischen Nord- und Süd aber auch Ost- und Westeuropa ist das Rhein-Main-Gebiet klimatisch günstig gelegen und verfügt über fruchtbare Böden.

So verwundert es nicht, dass die Anfänge des Ballungsraumes bereits vor 6000 Jahren greifbar werden, während des sogenannten Jungneolithikums. Zu dieser Zeit siedeln Bauern und Viehzüchter aus dem Pariser Becken und den Ardennen kommend im nördlichen Oberrheintal. Ihre Hinterlassenschaften werden mit dem archäologischen Fachbegriff „Michelsberger Kultur“ bezeichnet – diese existierte in unserer Region zwischen 4200 und 3500 v. Chr.

Rasch wird das Rhein-Main-Gebiet an nach Westen orientierte Verkehrsverbindungen angeschlossen: Beilklingen – letztlich aus den Westalpen – werden in einem komplizierteren Netzwerk gegen Salz aus Hessen und Mitteldeutschland ausgetauscht, für das wiederum in Frankreich Bedarf bestand. Es entstehen gewaltige Ansiedlungen wie Schierstein, der Glauberg in der Wetterau und der Kapellenberg bei Hofheim. Während in Schierstein tatsächlich mehrere tausend Menschen hätten leben können, dürfte die Zahl der gleichzeitig siedelnden Personen auf dem Kapellenberg eintausend nicht überschritten haben.

Zumindest zu Beginn der Michelsberger Kultur sind einige aufwendige Grabanlagen bekannt, eine – ein Großgrabhügel wie sie auch aus der Bretagne bekannt sind – scheint auch auf dem Kapellenberg errichtet worden zu sein.

Vom Rhein-Main-Gebiet breitet sich die Michelsberger Kultur weiter nach Osten und Süden aus. Gewalt und Krieg haben bei dieser Expansion eine Rolle gespielt, und so dürften auch Kriegsgefangene genommen und zu Sklaven gemacht worden sein. Mithin liegen in jener Zeit nicht nur die Ursprünge unserer heutigen globalen Wirtschaft, sondern auch deren negative Folgen wie Menschenhandel und Unfreiheit.

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Prof. Dr. Detlef Gronenborn
+49 6131 8885-129
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Projektzeitraum

Seit 01.2008

Unterstützung

LEIZA, hessenARCHÄOLOGIE, Magistrat der Stadt Hofheim

  • W. Feth / G. Heinz / D. Gronenborn / A. Junge / A. Kreuz / U. Recker, Neue Forschungen zum Kapellenberg in Hofheim am Taunus. hessenARCHÄOLOGIE 2012 (2013, 35-39).
  • S. Fetsch / D. Gronenborn / A. Kreuz / A. Cramer / S. Schade-Lindig / O. Weller, Ausweitungen der Forschungen zur Michelsberger Kultur im Rhein-Main-Gebiet. hessenARCHÄOLOGIE 2010, 2011, 22-25.
  • D. Gronenborn, Eliten, Prestigegüter, Repräsentationsgräber: Eine Spurensuche nach politischen Organisationsformen.In: Lichter, C. (Red.), Jungsteinzeit im Umbruch. Die "Michelsberger Kultur" und Mitteleuropa vor 6000 Jahren. Katalog zur Ausstellung im Badischen Landesmuseum Schloss Karsruhe 20.11.2010 - 15.5.2011. Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Karlsruhe 2010) 243-249.
  • D. Gronenborn, Der Kapellenberg während der Jungsteinzeit. In: R. Schlecker (Red.), Jade und Salz. Der Hofheimer Kapellenberg und seine Geschichte. Publikation zur Ausstellung im Stadtmuseum Hofheim am Taunus vom 2. Juni – 29. September 2013. Stadtmuseum Hofheim am Taunus. Beiträge zur Kultur- und Stadtgeschichte 18 (Hofheim am Taunus 2013) 7-25.
  • D. Gronenborn / B. Hünerfauth / A. Kreuz / U. Recker / N. Richter / M. Wagner, Fortgang der Untersuchungen am Kapellenberg bei Hofheim am Taunus. Grabungen des Vorwalles der jungneolithischen Höhensiedlung im Main-Taunus-Kreis. hessenARCHÄOLOGIE 2009, 2010, 43-45.
  • D. Gronenborn, Some thoughts on political differentiation in early to Young Neolithic societies in western central Europe. In: H. Meller/H.-P. Hahn/R. Jung u. a. (Hrsg.), Arm und Reich - Zur Ressourcenverteilung in prähistorischen Gesellschaften. 8. Mitteldeutscher Archäologentag vom 22. bis 24. Oktober 2015 in Halle. Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle (2016) 61–76.
  • D. Gronenborn/W. Haak, Als Europa (zu) Europa wurde. Die großen Migrationen im Neolithikum. In: M. Wemhoff/M. M. Rind (Hrsg.), Bewegte Zeiten. Archäologie in Deutschland (Petersberg 2018) 72–77.
  • D. Gronenborn/H. Thiemeyer/A. Cramer/N. Antunes/D. Neubauer/P. Pétrequin, A later fifth millennium cal BC tumulus at Hofheim-Kapellenberg, Germany. Antiquity Project Gallery 2020.
  • F.-R. Herrmann, Der Kapellenberg bei Hofheim am Taunus, Main-Taunus-Kreis. Führungsblatt zu den vorgeschichtlichen Grabhügeln, dem römischen Wachtturm und dem frühmittelalterlichen Ringwall. Archäologische Denkmäler in Hessen 30 (Wiesbaden o. J.).
  • D. Hofmann/E. Banffy/D. Gronenborn/A. Whittle/A. Zimmermann, Als die Menschen sesshaft wurden. Die Jungsteinzeit in Süd- und Mitteldeutschland. In: E. Bánffy/K. P. Hofmann/P. von Rummel (Hrsg.), Spuren des Menschen. 800 000 Jahre Geschichte in Europa (Darmstadt 2019) 110–133.
  • N. Richter / D. Gronenborn / U. Recker, Was lange wehrt, wehrt gut - die michelsbergzeitliche Befestigungsanlage auf dem Kapellenberg bei Hofheim am Taunus. hessenARCHÄOLOGIE 2008, 2009, 33-35.
  • N. Richter, Der Kapellenberg bei Hofheim a. T. - Eine michelsbergzeitliche Höhensiedlung und ihr Umland. Unveröffentlichte Dissertation. Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (Mainz 2010).
  • T. Lang / A. Cramer / S. Fiedler / D. Gronenborn / A. Junge / U. Recker / K.-J. Sabel / H. Thiemeyer, Grabungen im Innenraum der Befestigung auf dem Kapellenberg bei Hofheim am Taunus. hessenARCHÄOLOGIE 2013, 2014, 43-46.
  • T. Lang/A. Cramer/D. Gronenborn/U. Recker/ S. Fiedler/H. Thiemeryer, Grabungen 2014 innerhalb der Befestigung auf dem Kapellenberg bei Hofheim am Taunus. hessenARCHÄOLOGIE 2014, 2015, 46–48.
  • R. Kubon / G. Rühl, Der Kapellenberg bei Hofheim am Taunus. Beiträge zur Hofheimer Geschichte, Geschichts- und Altertumsverein Hofheim am Taunus (Hofheim 1977 [²1986]).
  • P. Mertl/D. Gronenborn, Geophysikalische Prospektionen auf dem Kapellenberg. In: U. Recker (Hrsg.), hessenARCHÄOLOGIE 2018. Jahrbuch für Archäologie und Paläontologie in Hessen. hessenARCHÄOLOGIE 21 (Darmstadt 2019) 59–61.
  • J. Nowaczek/D. Gronenborn/A. Kreuz/P. Mertl/U. Recker/H. Thiemeyer, Ein Berg hält die Forschung seit Jahren auf Trab. hessenARCHÄOLOGIE 2016, 51-53, 2017.
  • J. Nowaczek/D. Gronenborn/U. Recker, Im Regen stehen gelassen: der Kapellenberg hütet seine Geheimnisse. hessenARCHÄOLOGIE 2017/2018, 40–42.
  • N. Zimmer, Die Michelsberger Höhensiedlung Kapellenberg bei Hofheim. Eine Befestigungsanlage am südlichen Rand des Taunus und ihre Einbindung in die Besiedlungsentwicklung im Umland. In: F. Daim, D. Gronenborn u. R. Schreg (Hrsg.), Strategien zum Überleben. RGZM - Tagungen 11 (Mainz 2011) 129-142.

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