Forschungsprojekt

Die »Tomba della Regina« von Sirolo-Numana (Prov. Ancona, Italien)

Der herausragende Grabkomplex einer picenischen Frau des späten 6. Jahrhunderts v.Chr. als Schlüsselfund für die Vorgeschichte Europas

Zusammengefasst

Die »Tomba della Regina« von Sirolo-Numana (Prov. Ancona, Italien) ist der repräsentativste und berühmteste Grabkomplex des Picenums sowie eines der reichsten Gräber in der europäischen Vorgeschichte. Im Mittelpunkt des Forschungsprojekts steht die Untersuchung der üppigen und komplexen Bestattung, die sich mit ihren zahlreichen lokalen und importierten Beigaben im Spannungsfeld zwischen den Forschungen zur italischen Halbinsel, zu Griechenland sowie zu den Prunkgräbern in Mitteleuropa während des 6. und 5. Jh. v.Chr. stellt.

1. »Grabsitte« – Räume, Formen und Bedeutungen der Bestattung

Warum wurden die Tote und ihre Beigaben in unterschiedlichen Gruben deponiert? Kann man Verteilungen nach Art oder Funktion erkennen, die der rituellen Niederlegung der Funde in den Gruben zugrunde liegen? Die Gruben A und B der »Tomba della Regina« weisen räumliche und stratigraphische Probleme auf, die sonst selten in der Untersuchung einer Bestattung vorkommen. Aus diesem Grund soll die Grabungsdokumentation genau überprüft werden, um die exakte Lage aller Funde in der Bestattung und in der Grube B zu definieren. Eventuelle regelmäßige Muster im Bestattungsritus sollen sichtbar gemacht werden.

2. »Geschlecht – Macht – Rang« – Symbole und Darstellung einer prominenten Frau

Die Themen des Geschlechts, der Macht und des Rangs sind in der »Tomba della Regina« sehr eng miteinander gebündelt, sodass sie am besten zusammen betrachtet werden sollen. Die Bezeichnung »Königin« spiegelt die üppige Grabausstattung wider, ist aber rein konventionell: Welche Position hatte die bestattete Frau in der Gesellschaft von Numana? Gibt es in der Grabausstattung Hinweise auf eine spezifische Rolle in der lokalen Gesellschaft, die abstammungs- oder geschlechtsbedingt war? Welche Rolle spielten Alter und Geschlecht der Verstorbenen in Verbindung zu ihrem Status? Geschlechtsbestimmende Beigaben wie einige Fibeltypen, Garnspulen und Spindel sind bei der Bestattung in der Grube A konzentriert und entsprechen der traditionellen Darstellung der Frau im vorrömischen Italien als Spinnerin und Weberin. Andere Funde aus dem Grabkomplex erlauben jedoch keine eindeutige Zugehörigkeit zu einem Geschlecht, denn sie kommen sowohl in Frauen- als auch in Männergräbern vor, wie z.B. die Wagen. Wie erklärt sich die Überlappung von Frauen- und Männersymbolik in der Ausstattung? Weisen weitere Beigaben auf eine Dimension hin, die über die konventionellen Ausdrucksformen des Geschlechts der bestatteten Person hinausgeht?

3. »Kontakte« – Das Netzwerk der »Regina«, von Griechenland bis Mitteleuropa

Die zahlreichen Importe sowie die Aufnahme fremder Ideen und Vorbilder gehören neben der Monumentalität des Grabkomplexes und der Anzahl der Beigaben zu den »Strategien« des Grabritus, um den Status der Frau hervorzuheben. Welche Verwendung finden die Importe innerhalb des lokalen Grabritus im Vergleich zu anderen Fundorten? Welche Darstellungsformen von internationaler Relevanz werden im Grabkomplex inszeniert? Gibt es Hinweise auf die Modifikation bzw. die Anpassung der Funktion oder der Bedeutung fremder Güter innerhalb der Grabausstattung?

Ein wichtiger Aspekt ist in dieser Hinsicht die Untersuchung des attischen Symposionssets. Erst im Laufe des späten 6. und des 5. Jh. v. Chr. wurden Numana und das Picenum ein wichtiges Ziel des Handels attischer Keramik in der Adria. Spiegelt der griechische Trinkgeschirrsatz aus der »Tomba della Regina« die Eröffnung einer neuen Handelsroute der attischen Keramik nach Numana wie nach Adria und Spina wieder? Darüber hinaus ist die Untersuchung der Fernkontakte zu den Regionen nördlich der Alpen wichtig, da die Natur dieser Kontakte mit dem Picenum noch in vielerlei Hinsicht erklärt werden muss. Einige Fibel- und Anhängerformen weisen Ähnlichkeiten mit Objekten aus der Este- und Golasecca-Kultur auf und sollen deshalb im Hinblick auf die Erforschung der direkten Kontakte mit dem Norden besonders ausführlich untersucht werden.

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Projektzeitraum

06.2018 - 07.2021

Unterstützung

Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

  • G. Bardelli / I. A. Vollmer, Prunk, Ritual und Tradition im Picenum. Zwei Prachtfibeln mit Bein- und Bernsteinverkleidung aus der “Tomba della Regina” von Sirolo-Numana (Prov. Ancona, Italien). Römische Mitteilungen 126, 2020, 39-77. ISSN: 0342-1287
  • G. Bardelli / F. Milazzo / I. A. Vollmer, La Tomba della Regina di Sirolo. Ricerche e restauri a 30 anni dalla scoperta. In: N. Frapiccini (a cura di), Atti del convegno internazionale di studi piceni (Ancona, 14-16 novembre 2019), in Druckvorbereitung

  • Restaurierung und Konservierung von fast 130 Beigaben aus der Grube B der "Tomba della Regina"
  • Wissenschaftliche Auswertung des gesamten Grabkomplexes
  • Verlängerung der Kooperation mit der SABAP Marche und der Direzione Musei Marche bis 2024
  • Vermittlung der Ergebnisse in mehreren Vorträgen und Publikationen
  • Dreharbeiten für einen Dokumentarfilm zur "Tomba della Regina" für das Jahr 2022 (Firma Sehestern; Produktion: ZDF/Arte)

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