Biomolekulare Analyse von Geweihkämmen zeugt von weitreichenden Handelsverbindungen der Wikinger in die Arktis

Schleswig-Holstein, Deutschland – Neueste Erkenntnisse eines internationalen Teams von Forschenden der Universitäten von York, Stockholm und Barcelona sowie des Zentrums für Baltische und Skandinavische Archäologie (ZBSA) und des Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) bestätigen, dass die frühmittelalterliche Stadt Haithabu bereits ab dem Jahr 800 n. Chr. über groß angelegte und konsistente maritime Kontakte verfügte.

Haithabu im heutigen Schleswig-Holstein (Deutschland) war die größte städtische Siedlung im skandinavischen Raum zur Zeit der Wikinger. Textquellen belegen bereits Handelsverbindungen mit dem Norden Skandinaviens. Jetzt bestätigt eine aktuelle Studie die Existenz dieser Handelswege durch biomolekulare Analysen von Geweihkämmen, die dort gefunden wurden.

Die Stadt war ein wichtiger Knotenpunkt für die Verarbeitung von Geweihen. Über 288.000 Geweihfunde wurden hier gemacht, darunter 1.250 Kämme oder Kammfragmente. Ein Team von Archäolog:innen hat das Kollagen dieser Kämme untersucht und festgestellt, dass 85-90% der Kämme nicht aus heimischen Hirschgeweihen sondern aus Rentiergeweihen gefertigt wurden.
 

Rentiergeweih impliziert weite Handelswege

Da Rentierherden allerdings ausschließlich im nördlichen Skandinavien angesiedelt waren und eine vorangegangene Analyse von Produktionsabfällen in Haithabu nur etwa 0,5 % des Geweihüberreste Rentieren zuordnen konnten, gehen die Forschenden nun davon aus, dass die Kämme höchstwahrscheinlich woanders produziert wurden und über Handelswege in den Süden gelangten.
 

Netzwerke und Stadtentwicklung in der Wikingerzeit

Für das Verständnis der frühmittelalterlichen Stadtentwicklung in Skandinavien haben die Ergebnisse eine weitreichende Bedeutung: Menschen in den peripheren Höhenlagen des nördlichen Skandinaviens müssen enge Verbindungen zu südlichen städtischen Zentren wie Haithabu gehabt haben.

"Der Kontakt mit dem arktischen Norden war ein wichtiges Element des Stadtentwicklung und Vernetzung mindestens seit Beginn der Wikingerzeit", so die Autoren der Studie, zu denen auch der LEIZA-Archäologe Dr. Niklas Hausmann und Sven Kalmring vom ZBSA, das ab 2024 in das LEIZA integriert wird, gehören.
 

Der Artikel erschien Anfang September open access im Antiquity Journal:

Muñoz-Rodriguez, M., Presslee, S., McGrath, K., Hausmann, N., Hilberg, V., Kalmring, S., Ashby, S. (2023). In the footsteps of Ohthere: Biomolecular analysis of early Viking Age hair combs from Hedeby (Haithabu). Antiquity, 1-16. doi:10.15184/aqy.2023.118

 

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