Ausgangspunkt des Projekts ist eine Gruppe von antiken und islamischen Glas- und Keramikgefäßen, die mit dem Bau der Bagdadbahn in Verbindung stehen. Diese wurde zwischen 1912 und 1914 vom ehemaligen Römisch-Germanischen Zentralmuseum (heute LEIZA) über den Eisenbahningenieur Ernst Lebach erworben. Im Rahmen des projektinternen Workshops tauschten sich Vertreter*Innen aus Archäologie, den Geschichtswissenschaften, der Archäometrie sowie Museumsmitarbeitende zu der Sammlung Lebach und dem Zusammenhang zwischen Archäologie und Bahnbau im Osmanischen Reich aus. Die Keynote von Dr. Malte Fuhrmann verortete deutsche archäologische Bestrebungen in der (semi-)kolonialen Politik des Deutschen Reichs. Im Workshop wurde zunächst der bisherige Forschungsstand am LEIZA zur Sammlung Lebach aus historischer, archäologischer und archäometrischer Perspektive vorgestellt. Eine weitere Session widmete sich den Arbeitsbedingungen beim Bau der Bagdadbahn und ging speziell auf die Situation der Armenier bei der Gesellschaft für den Bau von Eisenbahnen in der Türkei ein. Weiterhin wurden aus historischer Perspektive Methoden der Durchsetzung deutscher, archäologischer Interessen in Referenz zu den osmanischen Akteuren kritisch diskutiert. Abschließend wurde der Frage nachgegangen, wie mit archäologischen Artefakten aus dem Osmanischen Reich in Sammlungen westlicher Museen heute umgegangen werden kann. Da davon auszugehen ist, dass die Lebach’sche Sammlung im Umkreis Aleppos entstand, setzten sich die Teilnehmenden im Hinblick auf eine mögliche Zusammenarbeit mit der gegenwärtigen Situation im syrischen Nationalmuseum Aleppo auseinander.
Angegliedert an den Workshop mit 15 Teilnehmenden war ein öffentlicher Abendvortrag mit dem Titel „Museum, Politics, Empires“ von Prof. Dr. Zeynep Çelik (Sakıp Sabancı Visiting Professor, Columbia University), der zentrale Eckpunkte der Antikenpolitik des Osmanischen Reichs ab Ende des 19ten Jahrhunderts darlegte.
Provenienzforschung am Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie (LEIZA)
Auch am LEIZA wird Provenienzforschung mit hoher Priorität vorangetrieben. Zusehends geraten dabei archäologische Objekte aus dem Kontext der Kolonialgeschichte ins Zentrum der wissenschaftlichen Debatte und der öffentlichen Aufmerksamkeit. So ist das Lebach’sche Glaskonvolut im Leitfaden des Deutschen Museumsbundes Paradebeispiel für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten. Auch wenn die Erwerbungsumstände derzeit weiterhin Gegenstand der Forschung sind, kann gleichwohl davon ausgegangen werden, dass die damals geltende Antikengesetzgebung im Osmanischen Reich zumindest beim Export der Objekte missachtet wurde. Weitere Erwerbungen von archäologischen Artefakten nicht nur aus der Sammlung des LEIZA sind in diesem Sinne ebenfalls systematisch zu untersuchen und kritisch zu bewerten, um daraus Handlungsmaximen für den zukünftigen Umgang mit dieser Objektgruppe zu entwickeln.