Die diesjährige Grabung konzentrierte sich auf eine rund 285 m2 große Fläche und die darin freigelegten Überreste zweier Gebäude. Zwar geben Mauern aus Fachwerk und stuckdekorierte Wände den Forschenden Einblicke in das landwirtschaftliche Alltagsleben und den Wohlstand der damaligen Bewohner, doch für die Rekonstruktion der gewaltsamen Zerstörung sind die Funde mehrerer Vorratsgefäße entscheidend: „Wir haben eine regelrechte Schnappschussaufnahme der Zerstörung entdeckt“ so der Projektleiter Univ.-Prof. Dr. Dominik Maschek und erläutert „ durch den Fund der Vorratsgefäße sind wir uns sicher, dass die Zerstörung dieses Gehöfts auf einen Schlag erfolgt sein muss. Die Vermutung wird durch die Fundsituation der einzelnen Scherben eines Vorratsgefäßes bestätigt, denn diese deutet auf eine sehr starke und einmalige Krafteinwirkung hin. Für eine konkretere Datierung werden wir die noch erhaltenen organischen Überreste untersuchen.“
Um den Zeitpunkt des Angriffs zu präzisieren, werden in Kürze archäobotanische Untersuchungen herangezogen. Diese können den Erntestand der organischen Rückstände feststellen und die damalige römische Militäroffensive auf eine Jahreszeit eingrenzen.
Rekonstruktion einer Belagerung, des Angriffs und nachgewiesene Plünderungen
Bei vergangenen Feldforschungen sind anhand unterschiedlicher geophysikalischer Untersuchungen eindeutige Hinweise auf die militärische Belagerung festgestellt worden. Hierfür sprechen unzählige Spuren starker Hitzeeinwirkungen an verschiedenen Stellen, die auf Lagerfeuer deuten und die Vermutung strategisch organisierter Zeltplätze einzelner römischer Militäreinheiten unterstützen. Der Konfliktarchäologe Dominik Maschek fasst die dahinterstehende militärische Strategie zusammen: „Um Fregellae von der Außenwelt zu isolieren und wahrscheinlich zunächst einer Versorgungsnot zu überlassen, ist die Stadt vom römischen Heer regelrecht eingekesselt worden. Auf die Belagerung erfolgte kurze Zeit später die ganzheitliche Zerstörung. Da wir hier auffällig wenig Metall gefunden haben, gehen wir davon aus, dass auch großräumige Plünderungen stattgefunden haben müssen.“
Projektinformationen zu A Landscape of Conflict: Battlefield Archaeology in Territory of Ancient Fregellae / Modern Arce, Ceprano, and San Giovanni Incarico
Die archäologischen Untersuchungen an der etwa 100 km von Rom gelegenen Ausgrabungsstätte rekonstruieren den militärischen Überfall der Römer auf die einst florierende Stadt Fregellae. Überreste von Wandmalereien, Heiligtümern, Atriumhäusern, Bodenmosaiken und öffentlichen Bädern geben eindeutige Hinweise auf vorsätzliche Zerstörung. Wie sich solche Belagerungen in der römischen Zeit auf das städtische Umland auswirkten und welchen Zerstörungsgrad die umliegende Kulturlandschaft im Fall von Fregellae erleiden musste, ist das Hauptziel des wissenschaftlichen Projekts. Die archäologischen Ausgrabungen werden im Sommer 2024 fortgesetzt.
Das seit 2023 von der Gerda Henkel-Stiftung geförderte Projekt wird von Univ-Prof. Dr. Dominik Maschek seit 2015 geleitet. Die archäologischen Grabungen in Fregellae finden in Kooperation mit dem Ministero della Cultura, Soprintendenza Archeologia, Belle Arti e Paesaggio per le province di Frosinone e Latina (SABAP FR LT), der Comune di Arce (Frosinone, Lazio) und der Comune di San Giovanni Incarico (Frosinone, Lazio) statt.
Wissenschaftlicher Kontakt
Univ.-Prof. Dr. Dominik Maschek
dominik.maschek(at)leiza.de
Dominik Maschek studierte Klassische Archäologie, Alte Geschichte und Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien und lehrte danach in Darmstadt, Birmingham und Oxford. Neben seiner Professur für Römische Archäologie an der Universität Trier, die er seit Juli 2022 innehat, leitet er den Kompetenzbereich Römische Archäologie am Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA). Er arbeitet in erster Linie zur römischen materiellen Kultur von der Republik bis in die Spätantike, wobei ein Schwerpunkt seiner Forschungen auf der Konfliktarchäologie liegt.
Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA)
Das LEIZA erforscht als Leibniz-Forschungsinstitut und -museum für Archäologie die materiellen Hinterlassenschaften aus 3 Mio. Jahren Menschheitsgeschichte. Ziel ist es, anhand archäologischer Funde und Befunde menschliches Verhalten und Handeln, menschliches Wirken und Denken sowie die Entwicklung und Veränderung von Gesellschaften aufzuzeigen und zu verstehen. Als eines von acht Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft verbindet das LEIZA exzellente Wissenschaft mit Ausstellungen und ist mit seinem Bildungsauftrag gleichzeitig ein Ort des Dialoges mit der Öffentlichkeit. Das LEIZA ist weltweit tätig und betreibt bislang erfolgreich und umfassend Forschungen in verschiedenen Regionen Afrikas, Asiens und Europas. Die einzigartige Konzentration archäologischer, naturwissenschaftlicher, restauratorischer und informationstechnologischer Kompetenzen verbunden mit bedeutenden Werkstätten, Laboren und Archiven, erlaubt es dabei, objektorientierte Forschung zur Archäologie der Alten Welt (Asien, Afrika, Europa) von den Anfängen der Menschheitsgeschichte bis in die Neuzeit zu betreiben.
Das LEIZA war bis zur Umbenennung zum 1. Januar 2023 international bekannt als Römisch-Germanische Zentralmuseum (RGZM) und wurde im Jahr 1852 auf Beschluss der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine in Mainz gegründet.