Pressemitteilung

Archäologische Grabung in den Arabischen Emiraten

2000-jährige Besiedlungsgeschichte mit florierendem Wirtschaftsstandort rekonstruiert

Mainz/Wien. Ein internationales Forscherteam untersucht in der Küstenstadt Kalba (Vereinigte Arabische Emirate) die Hinterlassenschaften verschiedener Besiedlungen zwischen 2500 bis 600 vor Christus. Trotz nachweislich immer trockener werdendem Klima bestätigen bronze- und eisenzeitlichen Funde eine 2000-jährige, nahezu kontinuierliche Besiedlungsdauer und bezeugen sogar einen florierenden Handwerks- und Wirtschaftsstandort. Ziel ist es, das Alltagsleben der prähistorischen Gemeinschaften zu rekonstruieren sowie die Rohstoffbezugssysteme und Interaktionsradien innerhalb des damaligen Handelsnetzwerks nachzuvollziehen. Um die bestehende Kooperation mit dem Emirat Schardscha zu vertiefen, sind gegenwärtig, im Beisein des österreichischen Botschafters in Abu Dhabi, die Direktorinnen des Österreichisches Archäologisches Institut (ÖAI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und des Leibniz-Zentrums für Archäologie (LEIZA) vor Ort. Die diesjährige Grabung startete am 30. Oktober und wird am 30. November ihren Abschluss finden.

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 Ausgrabungsstätte mit darüber fliegender Drohne

Die Dokumentation der Ausgrabung erfolgt durch Zeichnungen, GPS-gestützter Vermessung und Luftbildaufnahmen von Drohnen, wodurch eine 3D-Visualisierung der Befunde ermöglicht wird.
© LEIZA / C. Schwall

Als Handelsknotenpunkt in der Golfregion agierte der Küstenort Kalba sehr erfolgreich innerhalb eines der ältesten nachgewiesenen Handelsnetzwerke, das vor 4500 Jahren vom Indusgebiet bis in die Ägäis reichte.

„Der entscheidende Erfolgsfaktor für den Wirtschaftsstandort war vor allem die geographische Lage von Kalba. Hier muss es hervorragende Verbindungsrouten über See und Land gegeben haben. Wir vermuten auch einen Zugang aus der Wüste über die Berge, der Karawanen den Weg an die Küste ermöglichte. Dennoch waren wir verblüfft über die 2000-jährige nahezu kontinuierliche Besiedlungsdauer des Fundorts, obwohl sich die Umweltbedingungen nach unseren Analysen durch ein immer trockener werdendes Klima deutlich verschlechterten“, erläutert Grabungsleiter Dr. Christoph Schwall, Experte für Vorgeschichte im LEIZA.

Den Erfolg für die lange erfolgreiche Besiedlung sehen die Forschenden neben den optimalen Handelsrouten und dem existenzsichernden Versorgungsnetzwerken, vor allem in uneingeschränktem Zugang zu Süßwasser. Dies bestätigen aktuelle archäobotanische Untersuchungen verschiedener pflanzlicher Überreste. Auffallend ist hier der hohe Anteil von nachgewiesenen Mangroven, deren Lebensraum im Bereich von Süß- bzw. Brackwasser zu verorten ist. Dies lässt die Forschenden auf einen Trinkwasserzugang im Umfeld des Fundortes schließen, welches das Überleben der Küstenbewohner sicherte.

Verarbeitete Halbedelsteine und qualitätvoller Hornstein:
Ortung der Rohstoffquellen sind Fokus der Untersuchungen 

Dass die prähistorischen Gesellschaften über breites Wissen und ein weitreichendes Netzwerk zum Bezug der lokalen Gesteinsressourcen verfügten, belegen Funde, wie Steinwerkzeuge aus qualitativ hochwertigem Hornstein. Geochemische Analysen konnten nachweisen, dass der Hornstein aus dem ca. 50 km entfernten Hadschar-Gebirge stammt. „Wir gehen der Frage nach, ob die Rohstoffe und Bodenschätze eine ähnliche Rolle im Handel – vergleichbar mit dem heutigen Öl – für die Region gespielt haben können. Deswegen analysieren wir Rohstoffquellen in den umliegenden Gebirgsketten und vergleichen es mit dem verarbeiteten Material in den archäologischen Artefakten. Um Gesteinsproben zu gewinnen, haben wir potenzielle Gebiete mit Hilfe von geologischen Karten identifiziert und durch Begehungen die Lagerstätten lokalisiert“, erklärt Grabungsleiter Christoph Schwall die Vorgehensweise.

Weitere Ergebnisse der geoarchäologischen Analysen bestätigen eine Bandbreite von unterschiedlichen silikatischen Gesteinsrohstoffen, wie Achat, Chalcedon und Karneol, die im Randbereich der Berge auf der südöstlichen Arabischen Halbinsel zu finden sind. Derzeit wird die Herkunft der Halbedelsteine von Schmuckfunden ermittelt.

Zukunftsperspektiven für gemeinsame wissenschaftliche Kooperation

Um zukünftige Perspektiven innerhalb der Zusammenarbeit mit dem Emirat Schardscha zu vertiefen, sind die Wissenschaftliche Direktorin des ÖAI, Prof. Dr. Barbara Horejs, sowie die Generaldirektorin des LEIZA , Univ.-Prof. Dr. Alexandra W. Busch, gegenwärtig vor Ort.

„Die Integration des LEIZA in unsere mehrjährige und erfolgreiche Kooperation mit dem Emirat Schardscha wird unsere gemeinsamen Ausgrabungen auf eine neue europäische Ebene heben. Die gesamte Region am Golf von Oman ist für unsere Kenntnisse weit vernetzter Handelswege und ihre soziokulturelle Rolle zwischen Asien und Europa lange unterschätzt und lässt uns noch viele neue Ergebnisse erwarten“, so Direktorin Prof. Dr. Barbara Horejs, die in Kalba gleichzeitig Co-Grabungsleiterin von Seiten des ÖAI ist. Generaldirektorin des LEIZA Univ.-Prof. Dr. Alexandra W. Busch ergänzt: "Die historischen Spuren von Handel, kulturellem Austausch und Wissenstransfer zu rekonstruieren, zählt zu den zentralen Forschungsgebieten des LEIZA. Wir freuen uns, mit dem Projekt in Kalba ein ganz neues, spannendes Kapitel in diesem Feld aufschlagen zu können und damit zugleich die wissenschaftliche Kooperation mit dem ÖAI und dem Emirat Schardscha und der Region am Golf von Oman zu vertiefen."

Projektinformationen

Seit 2019 forschen in enger Zusammenarbeit mit der archäologischen Behörde vor Ort, Sharjah Archaeology Authority (SAA) und das Österreichische Archäologische Institut (ÖAI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Das Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) beteiligt sich ab 2023 als neuer ständiger Partner dieser internationalen Ausgrabungen im Emirat Schardscha am Golf von Oman. Weitere Projektbeteiligte sind das Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie und das Institut für Naturwissenschaftliche Archäologie der Tübinger Universität. Die Grabungen werden zusätzlich von der Österreichischen Botschaft in Abu Dhabi unterstützt. 

Link zur Projektseite: https://bit.ly/45jB4bB
 

Publikationen:

  • K. Lidour – M. J. Beech – D. Eddisford – C. S. Phillips – Ch. Schwall – S. A. Jasim, A Bronze to Iron Age Fishing Economy at Kalbāʾ 4 (Emirate of Sharjah, United Arab Emirates), Arabian Archaeology and Epigraphy 34, 2023, 44–62. doi: 10.1111/aae.12227
  • Ch. Schwall – M. Brandl – M. Börner – S. Lindauer – K. Deckers – S. Riehl – A. Cramer – Ch. Hauzenberger – E. Yousif – S. A. Jasim, The 2021 Field Season at Kalba: Results of the Excavations and Geo-archaeological Surveys, Proceedings of the Seminar for Arabian Studies 52, 2023, 305–321. https://archaeopresspublishing.com/ojs/index.php/PSAS/article/view/1569
  • Ch. Schwall – M. Brandl – M. Börner – K. Deckers – S. Lindauer – E. Pernicka – E. Yousif – S. A. Jasim, Kalba: New Insights Into an Early Bronze Age Trading Post on the Gulf of Oman, Proceedings of the Seminar for Arabian Studies 51, 2022, 329–352.
  • https://archaeopresspublishing.com/ojs/index.php/PSAS/article/view/419

 

Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA)

Das LEIZA erforscht als Leibniz-Forschungsinstitut und -museum für Archäologie die materiellen Hinterlassenschaften aus 3 Mio. Jahren Menschheitsgeschichte. Ziel ist es, anhand archäologischer Funde und Befunde menschliches Verhalten und Handeln, menschliches Wirken und Denken sowie die Entwicklung und Veränderung von Gesellschaften aufzuzeigen und zu verstehen. Als eines von acht Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft verbindet das LEIZA exzellente Wissenschaft mit Ausstellungen und ist mit seinem Bildungsauftrag gleichzeitig ein Ort des Dialoges mit der Öffentlichkeit. Das LEIZA ist weltweit tätig und betreibt bislang erfolgreich und umfassend Forschungen in verschiedenen Regionen Afrikas, Asiens und Europas. Die einzigartige Konzentration archäologischer, naturwissenschaftlicher, restauratorischer und informationstechnologischer Kompetenzen verbunden mit bedeutenden Werkstätten, Laboren und Archiven, erlaubt es dabei, objektorientierte Forschung zur Archäologie der Alten Welt (Asien, Afrika, Europa) von den Anfängen der Menschheitsgeschichte bis in die Neuzeit zu betreiben.

Das LEIZA war bis zur Umbenennung zum 1. Januar 2023 international bekannt als Römisch-Germanische Zentralmuseum (RGZM) und wurde im Jahr 1852 auf Beschluss der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine in Mainz gegründet. www.leiza.de

Pressekontakt

Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA)
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Prof. Dr. Barbara Horejs

Bilder zum Download

Ausgrabungsstätte mit darüber fliegender Drohne
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  • Die Dokumentation der Ausgrabung erfolgt durch Zeichnungen, GPS-gestützter Vermessung und ...
  • © LEIZA / C. Schwall
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  • Bildnachweise
Verbrannte Dattelkerne, die in Kochgruben gefunden wurden
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  • Verbrannte Dattelkerne aus Kochgruben liefern wichtige Radiokarbondatierungen (ca. 2300–2000 v. ...
  • © OeAW-OeAI / D. M. Blattner
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Die Generaldirektorin des LEIZA Univ.-Prof. Dr. Alexandra W. Busch, der Österreichische Botschafter in den Vereinigten Arabischen Emiraten Dr. Etienne Berchtold und die wissenschaftliche Direktorin des ÖAI Prof. Dr. Barbara Horejs vor dem Gebäude der Sharjah Archaeology Authority.
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