Pressemitteilung

Archäologisches Symposium beleuchtet Aufstieg und Verfall der Höhensiedlung Kapellenberg in Hofheim am Taunus vor 6000 Jahren

Lernen über – lernen aus Vergangenheit

Hofheim am Taunus. Über 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Europa diskutierten am 14. und 15. März in Hofheim Ergebnisse aus einem seit 15 Jahren laufenden archäologischen Forschungsprojekt zur jungsteinzeitlichen Höhensiedlung Kapellenberg. Manche davon geben Anlass zur Sorge und haben eine bedrückende Aktualität, andere machen aber auch Hoffnung. Die Veranstaltung war für die Öffentlichkeit zugänglich.

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 Die Initiatoren der Tagung stehen im Tagungsraum

Von links: Matthias Kaufmann vom Rotary Club, Bürgermeister Christian Vogt, Professor Detlef Gronenborn und Professor Dominik Maschek vom Leibniz-Zentrum für Archäologie.
© Magistrat der Stadt Hofheim am Taunus

Der Schwerpunkt der Veranstaltung lag auf dem aktuellen Forschungsstand zur außergewöhnlich gut erhaltenen Höhensiedlung in Hofheim am Taunus und der damit verbundenen Michelsberger Kultur (4300 – 3500 v. Chr.). Die präsentierten Forschungsergebnisse wurden in Zusammenhang mit anderen Projekten vorgestellt, um umfassende Vergleiche zwischen jungsteinzeitlichen Gesellschaften in Europa vor 6000 Jahren zu ermöglichen.

Ein integrativer und transdisziplinärer Ansatz

Etliche Fachdisziplinen waren vertreten, deren unterschiedliche Perspektiven zu einem integrierten Bild zusammengefügt werden sollten. Neben der Archäologie gab es Vorträge zur Paläoklimaforschung, Archäobotanik und Archäogenetik. Auch Wirtschaftsfragen und Bevölkerungsentwicklungen wurden behandelt. Professor Detlef Gronenborn, Organisator des Symposiums, merkt an: „Wir haben versucht, die Epoche auf ganz verschiedenen Ebenen zu betrachten: Erst auf der kontinentalen, dann auf der regionalen und lokalen. Anhand einzelner Bestattungen konnten wir sogar auch die individuelle Ebene berücksichtigen. Moderne Methoden der Analyse großer Datenmengen machen solche vielschichtigen Vorgehensweisen möglich, und wir schauen nun, wie sich die einzelnen räumlichen Ebenen zueinander verhalten und sich gegenseitig beeinflussen. Mit dieser gerade erst aufkommenden, multidimensionalen Methodik steht die Geschichtsschreibung vor einem Umbruch.“

Aufbauend auf einem solchen Ansatz entwickelte sich im Laufe der zweitägigen Veranstaltung ein komplexes Bild der Michelsberger Kultur: sie entstand im Pariser Becken aus westeuropäischen Einflüssen, expandierte von dort nach Osten und gründete unter anderem im Rhein-Main-Gebiet für die damalige Zeit außergewöhnlich große, befestigte Siedlungen, darunter der Kapellenberg. Die wirtschaftliche Grundlage war eine stark auf Viehzucht basierende Form der Landwirtschaft.

Das Ende der Michelsberger Kultur ist der Wissenschaft allerdings bis heute ein Rätsel. Gronenborn sagt hierzu: „Trotz der Größe und Eindrücklichkeit einiger dieser Siedlungen brachen sie nach etwa 700 Jahren unvermittelt ab und unsere Region durchläuft ein dunkles Zeitalter, aus dem wir kaum etwas wissen.“

Mathematische Simulation von gesellschaftlichem Verhalten

Wo die Datenlage unklar ist, kann die mathematische Simulation sozialer Dynamiken die Forschungsansätze ergänzen. Diese innerhalb der Archäologie noch junge Disziplin ermöglicht es, Hypothesen kontrolliert zu überprüfen und die verschiedenen Faktoren, die das gesellschaftliche Verhalten beeinflussen, zu untersuchen. Im betreffenden Fall legen die Simulationen nahe, dass gesellschaftlicher Verfall, einhergehend mit Gewalt, wahrscheinlicher für das Ende der Besiedelung der befestigten Siedlung auf dem Kapellenberg verantwortlich war, als etwa Klima- oder Umwelteinflüsse.  Diese Simulationen untermauern somit die archäologischen Feldforschungen.

Bedrückende Aktualität der Ergebnisse

„Die Erkenntnisse dieser Tagung verleihen der Erforschung vergangener Epochen eine aktuelle Relevanz. Sie verdeutlichen, dass viele historische Gemeinschaften letztendlich an inneren Konflikten und Gewalt zerbrachen. Diese Erkenntnis ist an sich nicht neu, wird aber von der heutigen Forschung erneut bestätigt“, erklärt Gronenborn und fasst zusammen: „Die heute noch sichtbaren, 6000 Jahre alten Verteidigungswälle auf dem Kapellenberg sind ein mahnendes Zeugnis jenes verstörenden, aber offensichtlich grundlegenden menschlichen Verhaltens. Allerdings lernen wir auch aus der Vergangenheit, dass es nach jedem Zusammenbruch wieder neue Dynamiken gab, zumindest bis heute.“

Wissenschaft für alle

Die Veranstaltung war der Öffentlichkeit zugänglich, so dass nicht nur zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der weiteren Umgebung, sondern auch Bürgerinnen und Bürger im Malersaal der Stadthalle in Hofheim zusammenkamen. Wie schon seit Projektbeginn sollten die Forschungsergebnisse allen Interessierten zugänglich gemacht werden. So stand die Veranstaltung unter dem Motto „Lernen über - lernen aus Vergangenheit“. Großzügig gefördert wurde das Treffen von der Stadt Hofheim, dem Rotary Club Main-Taunus, sowie dem Caterer BEEF’n BEER, Hofheim. Auch der Freundeskreis des Leibniz-Zentrums für Archäologie (LEIZA) e.V. beteiligte sich an der Förderung.

„Vor 6000 Jahren war Hofheim ein Zentrum der Michelsberger Kultur. Und in gewisser Weise war Hofheim das jetzt wieder“, fasst Bürgermeister Christian Vogt die beiden Tage zusammen. „Während der Tagung haben sich die wichtigsten Forscherinnen und Forscher dieser Disziplin aus ganz Europa hier versammelt. Darüber haben wir uns sehr gefreut – und darauf sind wir auch ein bisschen stolz.“

Matthias Kaufmann, Präsident des Rotary Club Main-Taunus: „Wir freuen uns, dass wir mit dem Erlös unseres Benefizkonzerts, das wir im November 2023 gemeinsam mit dem Kulturamt des Main-Taunus-Kreis ausgerichtet haben, zu diesem wissenschaftlichen Austausch beitragen durften.“
 

Das Forschungsprojekt zur Besiedelung des Kapellenbergs ist Teil einer langjährigen Kooperation zwischen dem Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA), der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, der hessenARCHÄOLOGIE und der Stadt Hofheim.

 

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Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA)

Das LEIZA erforscht als Leibniz-Forschungsinstitut und -museum für Archäologie den Menschen und seine Entwicklung auf Basis materieller Hinterlassenschaften aus drei Millionen Jahren zeit- und raumübergreifend. Die daraus gewonnenen grundlegenden Erkenntnisse verhelfen zum besseren Verständnis menschlichen Verhaltens und Handelns und der Entwicklung von Gesellschaften. Damit bereichert das LEIZA das Wissen zum Menschen um die archäologische Perspektive und schafft wesentliche Grundlagen für die Reflexion der Gegenwart und die Gestaltung der Zukunft. Mit der Archäologie versteht das LEIZA den Menschen in den Zusammenhängen und teilt die gewonnenen Erkenntnisse im internationalen Dialog. Das LEIZA ist weltweit tätig und betreibt bislang erfolgreich und umfassend Forschungen in verschiedenen Regionen Afrikas, Asiens und Europas. Die einzigartige Konzentration archäologischer, naturwissenschaftlicher, restauratorischer und informationstechnologischer Kompetenzen verbunden mit bedeutenden Werkstätten, Laboren und Archiven, erlaubt es dabei, objektorientierte Forschung zur Archäologie der Alten Welt (Asien, Afrika, Europa) von den Anfängen der Menschheitsgeschichte bis in die Neuzeit zu betreiben. Als eines von acht Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft verbindet das LEIZA exzellente Wissenschaft mit Ausstellungen und ist mit seinem Bildungsauftrag gleichzeitig ein Ort des Dialoges mit der Öffentlichkeit.

Bis zur Umbenennung zum 1. Januar 2023 international war das LEIZA bekannt als Römisch-Germanische Zentralmuseum (RGZM) und wurde im Jahr 1852 auf Beschluss der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine in Mainz gegründet. Seit 2024 ist es an insgesamt vier Standorten in Deutschland vertreten.

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