Pressemitteilung

Die Muschel als Klimaarchiv

SEAFRONT-Projekt erhält eine Million Euro Fördergeld für die Erforschung von archäologischen Muschelresten

Mainz. Mit der erfolgreichen Zwischenevaluierung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und der damit verbundenen Förderung von einer Million Euro kann das SEAFRONT-Projekt „Klimatische Einflüsse auf die Ausbreitung des Neolithikums im Mediterranen Raum“ die Erforschung von archäologischen Muschelresten als Quelle für vergangene Klimaschwankungen fortsetzen. Die Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe SEAFRONT am Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) untersucht seit 2020 Zusammenhänge von saisonalen Klimaschwankungen und menschlichem Verhalten im frühen und mittleren Holozän.

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 Wissenschaftlerin betrachtet auf einem Bildschirm die Ergebnisse der Computer-gesteuerten Laserstrahl-Untersuchungen

Das LIBS-System im Labor des LEIZAs: Die Muschelschalen werden innerhalb der Kammer durch einen Computer-gesteuerten Laserstrahl beprobt
© LEIZA / Sabine Steidl

„SEAFRONT hat einen bedeutenden Meilenstein erreicht. Die dreijährige Zwischenbewertung wurde erfolgreich abgeschlossen, und so können wir in die entscheidende Phase des Forschungsprojekts starten“, erläutert der Projektleiter Dr. Niklas Hausmann und fährt fort „Jetzt sind wir in geeigneter Lage weitere Fundstellen zu analysieren, um die Diversität des damaligen Klimas und die unterschiedlichen Einflüsse auf die Menschen besser zu verstehen.“

Da Muscheln sehr genau die klimatischen Bedingungen vor Ort aufzeichnen können und schon in der Urgeschichte regelmäßig von Menschen gesammelt wurden, ist es durch die Analyse von Muschelschalen möglich, diese Zusammenhänge genauer anzusehen. Wie sehr Menschen in der Vergangenheit vom Wetter abhängig waren und wie sie auf extreme Wetterverhältnisse reagiert haben, rekonstruiert das Team rund um Dr. Niklas Hausmann. Hierbei nutzt es die besonderen Eigenschaften von Muscheln als präzise archäologische Klimaarchive.

Die Muschel als Klimaarchiv

Das Team nutzt die Besonderheit der langen Haltbarkeit von Muschelschalen, die beim Abruf von archäozoologischen Daten eine große zeitliche Präzision wiedergeben können. Das hierfür eingesetzte Analyseverfahren der Laserinduzierte Plasmaspektroskopie (Laser Induced Breakdown Spectroscopy, LIBS) ermöglicht die genaue Bestimmung der Elementzusammensetzung der archäologischen Muschelreste. Hier können durch die nähere Betrachtung der elementaren Zusammensetzung der jeweiligen Wachstumsringe der Muschel, ähnlich wie bei Baumringen, die Zustände der Umwelt zu diesem Zeitpunkt rekonstruiert werden. Diese Analysen bieten Temperatureinblicke auf saisonaler Skala und lassen weitere Rückschlüsse darüber zu, wie genau unsere Vorfahren kurzzeitige Klimaschwankungen wahrgenommen haben.

„Die Frage, die wir uns stellen ist, wenn langfristige Klimadatensätze wie zum Beispiel Stalagmiten und andere zu beobachtende Ablagerungen an Meeresböden eine erhöhte Klimavariabilität über einen bestimmten Zeitraum anzeigen, wie hat sich diese dann auf das alltägliche Leben ausgewirkt? Gab es damals extremes Wetter und gab es Lösungsstrategien, die angewandt wurden, um damit umzugehen?“, erläutert der Projektleiter Niklas Hausmann den Ansatz der Forschung und fährt fort „Die Muscheln sind Überreste von menschlichen Hinterlassenschaften und wurden von Menschen gezielt für die Nahrungsaufnahme gesammelt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das aufgezeichnete Klima auch wirklich das war, das Menschen erlebt haben. Extreme Wetterverhältnisse beeinflussten vor allem den Ertrag aus der Landwirtschaft: Bei einer schlechten Ernte waren wichtige Nahrungsquellen kurzzeitig nicht mehr vorhanden. Wir gehen davon aus, dass Menschen zu solchen Zeiten andere Nahrungsmittel benutzt haben, mehr gejagt, mehr wilde Pflanzen gesammelt haben.“

Die Fördersumme von einer Million Euro ermöglicht es dem Team, die Untersuchung von Muschelschalen an weiteren Fundstellen in Griechenland, Italien und Libyen vorzunehmen und hierzu Vergleichsdaten zu erheben. Der Fokus liegt hier speziell auf vergangene Höhlen, die vor 9000 bis 7000 Jahren zuerst von Jäger-Sammlern, dann von Bauern bewohnt wurden.

 

Hintergrundinformation Emmy-Noether-Programm

Das Emmy-Noether-Programm ist ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) 1997 eingeführtes Programm zur Förderung herausragender Nachwuchswissenschaftler. https://www.dfg.de/foerderung/programme/einzelfoerderung/emmy_noether/
 

Publikation

Hausmann, N. (2023). Laser-induced Breakdown Spectroscopy (LIBS) in der Archäologie: Ein kurzer Überblick über ihre Anwendung und Potenziale. Archäologische Informationen 46, Early View, online publiziert 4. Juli 2023
https://dguf.de/fileadmin/AI/archinf-ev_hausmann.pdf
  

Weiterführende Links

 

Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA)

Das LEIZA erforscht als Leibniz-Forschungsinstitut und -museum für Archäologie die materiellen Hinterlassenschaften aus 3 Mio. Jahren Menschheitsgeschichte. Ziel ist es, anhand archäologischer Funde und Befunde menschliches Verhalten und Handeln, menschliches Wirken und Denken sowie die Entwicklung und Veränderung von Gesellschaften aufzuzeigen und zu verstehen. Als eines von acht Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft verbindet das LEIZA exzellente Wissenschaft mit Ausstellungen und ist mit seinem Bildungsauftrag gleichzeitig ein Ort des Dialoges mit der Öffentlichkeit. Das LEIZA ist weltweit tätig und betreibt bislang erfolgreich und umfassend Forschungen in verschiedenen Regionen Afrikas, Asiens und Europas. Die einzigartige Konzentration archäologischer, naturwissenschaftlicher, restauratorischer und informationstechnologischer Kompetenzen verbunden mit bedeutenden Werkstätten, Laboren und Archiven, erlaubt es dabei, objektorientierte Forschung zur Archäologie der Alten Welt (Asien, Afrika, Europa) von den Anfängen der Menschheitsgeschichte bis in die Neuzeit zu betreiben.

Das LEIZA war bis zur Umbenennung zum 1. Januar 2023 international bekannt als Römisch-Germanische Zentralmuseum (RGZM) und wurde im Jahr 1852 auf Beschluss der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine in Mainz gegründet. www.leiza.de

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Emmy-Noether Nachwuchsgruppenleiter

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Nahaufnahme einer mediterranen Napfschnecke im Sand
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  • © Shutterstock / coxy58
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