"Anderssein" in Gesellschaften interdisziplinär betrachtet

Was können archäologische Quellen und Nachbardisziplinen zum Thema „anders sein“ in Gesellschaften beitragen und welche Methoden und Konzepte sind dafür notwendig? Mit diesen Fragen hat sich am 19. und 20. Januar 2023 ein interdisziplinärer Workshop am Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) beschäftigt, zu dem auch Vertreter:innen der Klassischen Archäologie, der Alten Geschichte, der Soziologie und der Altamerikanistik eingeladen waren.

Die Wissenschaftler:innen haben in 15 Vorträgen ihre Erkenntnisse und die dazugehörige Quellenlage für das Phänomen der Ab- oder Ausgrenzung in Gesellschaften zusammengetragen. Hierbei wurde ein Konstruieren des „Anderen“, des „Fremden“/ der „Fremdheit“ oder das Konstruieren von Differenz und dessen Auswirkungen näher betrachtet. Ziel des Workshops war die Gegenüberstellung der unterschiedlichen Quellen aus den verschiedenen Disziplinen sowie die Einbeziehung aktueller politischer und sozialer Diskurse, wie In-/ Exklusion, Integration und Gleichbehandlung. Die Bandbreite der Vorträge reichte von theoretischen Ansätzen aus der Soziologie bis hin zu konkreten Fallbeispielen aus der Geschichte und Archäologie zwischen Südskandinavien, Westeuropa dem Mittelmeerraum und Südamerika.

In wie weit diese Diskussionen auf Basis archäologischen Fundmaterials und archäologischer Befunde geführt werden können, war ein weiterer wichtiger Aspekt des Workshops. Im Fokus standen materiellen Überlieferungen vergangener Gesellschaften, bei denen „Andere“ oder als „anders Konstruierte“ und deren gesellschaftliche Stellung in Schrift- und Bildquellen besonders deutlich fassbar sind und die Nachweisbarkeit von „Anderssein“ ermöglichen. Die Abbildungen von marginalisierten Gruppen auf archäologischen Objekten lassen beispielsweise durch spezifizierte Darstellungsweise eine klare Differenzierung innerhalb der jeweiligen Gesellschaft erkennen. Als weitere gesicherte Beispiele gelten Schriftquellen und Grabbeigaben, die auf den Status und die Rolle einer Person deuten können.

Menschliches Zusammenleben im Fokus der Forschungsaktivitäten vom LEIZA

Eine Arbeitsgruppe von Forschenden des LEIZA und des Zentrums für Baltische und Skandinavische Archäologie (ZBSA) in Schleswig, die sich mit Fragen nach Konstruktionen des Anderen innerhalb eines sozialen Gefüges/ einer Gesellschaft beschäftigt, organisierte den Workshop. Im Zuge der zukünftigen Erweiterung des LEIZA in Mainz um das ZBSA ab 2024 wurden an beiden Institutionen in den letzten zwei Jahren gemeinsame Forschungsfragen und -programme konzipiert. Die intensiven Diskussionen an beiden Tagen unterstrichen die Aktualität der Forschungsfrage und zeigten Wege für zukünftige Forschungen auf. Der Workshop „Otherness und Archäologie? Disziplinäre Perspektiven und ihre Schnittstellen“ fand als Auftaktveranstaltung zu einer geplanten Reihe statt.  

Der Frage nach der Ab-/und Ausgrenzung innerhalb einer Gesellschaft oder eines sozialen Gefüges wird im LEIZA innerhalb des Forschungsfeld „Zusammenleben in komplexer werdenden sozialen Gefügen“ untersucht. Übergeordnetes Ziel ist es, menschliches Verhalten und Handeln, menschliches Wirken und Denken sowie die Entwicklung und Veränderung von Gesellschaften aufzuzeigen und zu verstehen sowie sich zentralen Fragen menschlichen Zusammenlebens zu widmen. Die Konstruktion von Differenz ist hierbei eine wichtige Komponente, die bis heute auch in modernen Gesellschaften vorkommt. Die archäologischen Erkenntnisse fließen in die neue Dauerausstellung „Zusammenleben“ ein, die voraussichtlich 2024 im LEIZA Museum in Mainz eröffnen wird.

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