Forschungsprojekt

Die thrakische Hafenstadt Ainos in römischer und byzantinischer Zeit

Entwicklung eines Verkehrsknotens in einer sich wandelnden Umwelt

Zusammengefasst

Die antike Hafenstadt Ainos (heute Enez / Türkei) liegt in der Nordägäis, im Mündungsgebiet des Flusses Martiza, Hebros mit antikem Namen. Diese von Natur aus vorteilhaften Voraussetzungen begünstigten bereits ab dem späten 7. Jh. v. Chr. die Entwicklung der Stadt. Durch einen Verlandungsprozess befindet sich Ainos heute mehrere Kilometer vom Meer entfernt. Das Projekt untersucht die Auswirkungen des Landschaftswandels auf die Besiedlung und die Wirtschaft in der römischen und byzantinischen Zeit.

Aufgrund günstiger Voraussetzungen entwickelte sich Ainos bereits ab dem späten 7. Jahrhundert v. Chr. zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt. Bereits in archaischer und klassischer Zeit zeugen zahlreiche Funde und die überregional bedeutende Münzprägung von der wirtschaftlichen Größe. In der Spätantike war Ainos die Hauptstadt der Provinz Rhodope und zugleich Bischofssitz. Aus mittel- und spätbyzantinischer Zeit sind noch ansehnliche Bauzeugnisse erhalten, vor allem Kirchenbauten und Fortifikationen.

Trotz einer regelmäßigen Grabungstätigkeit des Kooperationspartners von der Universität Istanbul blieben bislang die antike Siedlungsgeographie sowie der Verlauf und Auswirkungen des Verlandungsprozesses ungeklärt. Diese stellen nun die maßgeblichen Fragen des Projektes.

Forschungsziel

In Ainos spielten besonders die durch den Verlandungsprozess hervorgerufenen Umweltveränderungen eine entscheidende Rolle in der Entwicklung der Hafenstadt. Die zentralen Fragestellungen des Forschungsvorhabens sind daher:

  • Lokalisierung und Datierung der Hafenanlagen, insbesondere Klärung der Funktion der Befestigungen unterhalb der byzantinischen Burg/Akropolis als mutmaßliche Hafenanlagen
  • Ermittlung des raumzeitlichen Verlaufs des die Existenz der Hafenstadt bedrohenden Verlandungsprozesses
  • Analyse der Veränderung der Siedlungstopographie durch den Landschaftswandel
  • Untersuchung der Anbindung von Ainos an das überregionale Verkehrsnetz

Methodik

Das interdisziplinär aufgestellte Projektteam bedient die Arbeitsgebiete der Archäologie, Geoarchäologie, Geophysik, Geoinformatik und Bauforschung. Die Untersuchungen vor Ort erfolgten innerhalb der jährlich von einem Team der Universität Istanbul durchgeführten Ausgrabungskampagnen von 2012 bis 2017. Dabei wurden folgende Methoden angewandt:

Bauforschung: Die lagunenseitigen Fortifikationen wurden detailliert dokumentiert und deren Bauphasen ermittelt.

Archäologie: Aufgrund der Ergebnisse der geowissenschaftlichen Untersuchungen und der Bauforschung wurden kleinformatige Grabungsschnitte angelegt, um Datierungen zu gewinnen bzw. Befunde zu verifizieren. Darüber hinaus wurden marmorne antike und byzantinische Architekturteile sowie Feinkeramik der späthellenistischen bis zur frühbyzantinischen Zeitdokumentiert.

Geophysik: Großflächige geophysikalische Untersuchungen an Land und im Flachwasser wurden von Kooperationspartnern durchgeführt. Sie sollten Aufschlüsse für bislang unbekannte Siedlungsstrukturen liefern.

Geoarchäologie: Die Rekonstruktion der Landschaftsentwicklung basiert primär auf der Gewinnung und Auswertung von Rammkernsondierungen, die durch einen Kooperationspartner durchgeführt wurden. Die so gewonnenen Sedimente erlauben nach Analysen und Datierung Rückschlüsse auf die Umweltbedingungen zu verschiedenen Zeitabschnitten.

Geoinformatik: In Zusammenarbeit mit der Hochschule Mainz wurde ein Geoinformationssystem (GIS) aufgebaut, ein Geländemodell erstellt und topographische Daten zusammen mit den Fachdaten der Arbeitsgruppen visualisiert und analysiert.

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Kontakt

PD Dr. Thomas Schmidts
+49 6131 8885-322
Kontakt

Projektzeitraum

11.2012 - 12.2018

Unterstützung

Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

  • Prof. Dr. Sait Başaran, İstanbul Üniversitesi, Edebiyat Fakültesi
  • Prof. Dr. Helmut Brückner, Dipl. Geogr. Martin Seeliger, Universität zu Köln, Geographisches Institut 
  • Prof. Dr. Wolfgang Rabbel, Dr. Dennis Wilken, Dr. Tina Wunderlich,  Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Geowissenschaften, Abteilung Geophysik
  • Prof. Dr. Hartmut Müller, Hochschule Mainz, Institut für Raumbezogene Informations- und Messtechnik - i3mainz 
  • Dr. Sirri Seren, Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), Wien

  • Th. Schmidts / S. Başaran / A. Bolten / H. Brückner / H. Bücherl / A. Cramer / A. Dan / M. Dennert / E. Erkul / G. Heinz / M. Koçak / A. Pint / M. Seeliger / I. Triantafillidis / D. Wilken / T. Wunderlich, Die thrakische Hafenstadt Ainos. Ergebnisse eines interdisziplinären Forschungsprojektes. Archäologischer Anzeiger 2020/2, § 1–133.
    (https://doi.org/10.34780/aa.v0i2.1029)
  • M. Seeliger/A. Pint/P. Frenzel/P. K. Weisenseel/E. Erkul/D. Wilken/T. Wunderlich/S. Başaran/H. Bücherl/M. Herbrecht/W. Rabbel/Th. Schmidts/N. Szemkus/H. Brückner, Using a Multi-Proxy Approach to Detect and Date a Buried part of the Hellenistic City Wall of Ainos (NW Turkey). Geosciences 2018, 8(10), 357; doi:10.3390/geosciences8100357
  • H. Brückner / Th. Schmidts / H. Bücherl / A. Pint / M. Seeliger, Zur Frage der Häfen von Ainos – eine Zwischenbilanz. In: Th. Schmidts / M. M. Vučetić (Hrsg.), Häfen im 1. Millennium AD: bauliche Konzepte, herrschaftliche und religiöse Einflüsse. Interdisziplinäre Forschungen zu Häfen von der Römischen Kaiserzeit bis zum Mittelalter 1. RGZM Tagungen 22 (Mainz 2015) 53-76.
  • A. Lätzer-Lasar, Das römische Handelsnetz von Ainos: Ausgewählte Keramik vom Späthellenismus bis zur Spätantike. Rei Cretariae Romanae Favtorum Acta 44, 2016, 707-714.

Die finalen Auswertungsarbeiten laufen. Erste Ergebnisse sind bereits publiziert. Neue Erkenntnisse konnten hinsichtlich der Entwicklung der Stadt und der Lokalisierung von möglichen Hafenstandorten erzielt werden. Erstmals konnte mittels Geophysik eine antike Stadtmauer nachgewiesen werden. Zudem zeigte sich, dass die Römische Kaiserzeit in Ainos nicht, wie lange vermutet, als Epoche des Niedergangs zu bewerten ist.

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