Forschungsprojekt

Weltweites Zellwerk

Umbrüche in der kulturellen Bedeutung frühmittelalterlichen Edelsteinschmucks vor dem Hintergrund von Wirtschaftsgeschichte sowie Ideen- und Technologietransfer

Zusammengefasst

In diesem Projekt untersuchen wir archäologische Originalfunde des Frühmittelalters (ca. 450-750), die einen zeittypischen Zierstil aufweisen. Die Schauseiten der Objekte sind mit roten Edelsteinplättchen mosaikartig belegt. Die Untersuchung des roten Granats verknüpft Fragen nach der sozialen und symbolischen Bedeutung mit wirtschaftsgeschichtlichen sowie herstellungstechnischen Aspekten. Ziel des Projektes ist es, beispielhaft anhand dieses Objekttyps den Transfer von Waren, Ideen und Technologie in möglichst vielen Facetten zu erfassen und zu verstehen.

In großen Teilen Europas wurden im 5.-8. Jh. Tausende Schmuckobjekte mit einem roten Schmuckstein flächendeckend verziert, dem Granat. So charakteristisch dieser Stil für diese Jahrhunderte ist, zeichnen sich beim genaueren Hinsehen nicht nur regionale Unterschiede ab, sondern auch solche in seiner sozialen Relevanz. Dabei offenbart sich vor dem Hintergrund der „Dark Ages“ auch ein bisher wenig beachtetes Phänomen: Im Zentrum des fränkisch-merowingisch geprägten Europa ändert sich recht plötzlich im 7. Jh. die Machart dieses sogenannten Cloisonnéstils von einem üppigen, aus einem Überfluss schöpfenden, flächendeckenden Besatz mit rotem Granatplättchen orientalischer Provenienz hin zu einer schlichteren Variante, in der nur noch einzelne Splitter des „einheimischen“ böhmischen Granates zu verzeichnen sind. Die bisherigen Theorien für diesen Umbruch reichen von einer Störung der Fernhandelsrouten durch Perser und/oder Araber, über negative wirtschaftliche Auswirkungen auf die fränkische Außenhandelsbilanz, bis hin zum Modewandel.

Interessanterweise tritt in der Peripherie des Frankenreiches, in den angelsächsischen und skandinavischen Gebieten, aber gerade im 7. Jh. das flächendeckende Granat-Cloisonné vermehrt auf, zum Teil in äußerst qualitätvollen Stücken. Hier mangelt es an naturwissenschaftlichen Untersuchungen zur Herkunftsbestimmung der Granate. Stammen sie im 7. Jh. noch aus den gleichen Quellen wie zuvor oder gab es hier Umbrüche? Was passiert an der östlichen Peripherie des Frankenreiches, im Karpatenbecken? Wie in den westlich angrenzenden Gebieten der Westgoten griff man offensichtlich vermehrt auf Ersatzmaterialien, z.B. rotes Glas zurück. Manifestiert sich ein Bedeutungswandel roten Granats in Byzanz? Gibt es Erklärungen für den Wandel, die im Ursprungsland der Edelsteine, also in Indien selbst verortbar sind?

Aus der Kombination archäologischer, kunsthistorischer und quellenorientierter Studien sowie technologischen und naturwissenschaftlichen Analysen wird die Frage nach der Strukturierung der europäischen Wirtschaftszonen und ihrer Außenhandelskontakte im 7. Jh. beleuchtet. Wie kaum ein anderes Fundgut ist das Material und der damit verbundenen Cloisonnéstil geeignet, den wirtschaftlichen, sozialen und semiotischen Wandel auf der einen Seite, aber auch Kontinuität und Gemeinsamkeiten auf der anderen Seite in den unterschiedlichen Regionen Europas abzubilden. Mithilfe eines strukturell, wie thematisch eng verzahnt arbeitenden, interdisziplinären Teams internationaler Wissenschaftler sollen verschiedene, neue Sichtweisen helfen, über den Tellerrand hinaus zuschauen.

Unterprojekte

  • Almandincloisonné im Rheinland: Interdisziplinäre Studien zu Handel, Werkstätten, Symbolik und Nutzern
  • Archäometrische Untersuchungen von Granatschmuck (spätes 6. und 7. Jahrhundert) - Granatcloisonné aus Ungarn
  • Auf dem Weg zum Verständnis der altenglischen Edelsteinnamen
  • Die Entwicklung des Zellwerks zwischen Indien und Byzanz
  • Die Wahrnehmung byzantinischer und orientalischer Importe im Merowingerreich
  • Granat im 7. Jahrhundert der Nord-Westlichen Peripherie des Merowingerreiches
  • Granat in byzantinischen Texten
  • Granat in historischen und archäologischen Quellen aus Südasien
  • Granatcloisonné des 7. und 8. Jahrhunderts auf dem Kontinent
  • Granatschmuck im frühmittelalterlichen Schweden
  • Naturwissenschaftliche und technische Untersuchungen von Granatschmuck
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Kontakt

Apl. Prof. Dr. Dieter Quast
+49 6131 8885-133
Kontakt

Projektzeitraum

01.2014 - 12.2017

Unterstützung

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

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