Forschungsprojekt

Das Hinterland des römischen Kastells Myd(---)/Gheriat el-Garbia am limes Tripolitanus

Zusammengefasst

Im Zentrum des Projekts steht das nördliche Hinterland des um 200 n. Chr. errichteten Oasenkastells von Myd(---)/Gheriat el-Garbia (Libyen) am sog. limes Tripolitanus. Vor dem Hintergrund der besonderen naturräumlichen Gegebenheiten werden Fragen der Siedlungsstruktur, militärischen Sicherung und Interaktion zwischen römischem Militär und autochthoner Bevölkerung untersucht. Den Ausgangspunkt bilden zwei ländliche Siedlungsstellen, von denen aussagekräftige Kleinfund-Ensembles vorliegen, die in Parallele zu stratifizierten Fundkomplexen aus dem Kastell Gheriat el-Garbia ausgewertet werden.

Die Region Tripolitana (heutiges Südtunesien und Nordwestlibyen) gehörte in der römischen Kaiserzeit zur Provinz Africa Proconsularis und wurde im frühen 4. Jahrhundert als eigenständige Provinz eingerichtet. Unter Kaiser Septimius Severus (193–211 n. Chr.) kam die tripolitanische Halbwüstenzone (pre-desert) südlich des fruchtbaren Gebel-Gebirges unter direkte römische Kontrolle. Zur militärischen Sicherung dieses Gebiets errichtete man drei sog. Oasen-Kastelle an strategischen Schlüsselpositionen der drei wichtigsten Nord-Süd-Routen vom Mittelmeer in die Sahara: Cidamus/Ghadames im Westen, Myd(---)/Gheriat el-Garbia im Zentrum und Gholaia/Bu Njem im Osten (Abb. 2). Die größte dieser Anlagen, das Kastell Myd(...)/Gheriat el-Garbia, wurde 2009–2010 im Rahmen des Exzellenz-Projekts ‚Limes Tripolitanus‘ der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) unter Leitung von M. Mackensen archäologisch untersucht.

Vor allem dank des 1979–1989 von britischer Seite durchgeführten UNESCO Libyan Valleys Archaeological Survey (ULVS) ist der archäologische Forschungsstand zum tripolitanischen pre-desert relativ gut (Abb. 2). Wenig bekannt war bislang jedoch das Hinterland von Gheriat el-Garbia, insbesondere der ‚Geländekorridor‘ entlang der Verkehrsroute zum nördlich gelegenen Truppenstandort Mizda. Dabei stellen sich folgende Fragen:

  • Wie funktionierte die Interaktion zwischen römischem Militär und der autochthoner Bevölkerung vor dem Hintergrund der besonderen naturräumlichen Gegebenheiten?
  • Wie gestaltet sich die Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur in diesem Gebiet?
  • Wie war die Mizda-Gheriat-Route militärisch gesichert?
  • Wie funktionierte die Interaktion zwischen römischem Militär und autochthoner, libo-punischer bzw. (teil)romanisierter Bevölkerung vor dem Hintergrund der besonderen naturräumlichen Gegebenheiten?

Forschungsziel

Ziel des Forschungsprojekts ist es, das nördliche Hinterland von Gheriat el-Garbia und den nördlich anschließenden ‚Geländekorridor‘ bis Midza im Hinblick auf die oben formulierten Fragestellungen archäologisch zu untersuchen. Im Fokus stehen dabei sowohl die Sachkultur als auch spezifische Bau- und Siedlungsformen.

Methodik

Den Ausgangspunkt bilden zwei bislang weitgehend unbeachtete Fundplätze im Arbeitsgebiet. Es handelt sich um einen noch bis zu 4 m Höhe erhaltenen turmartigen Bau unbekannter Funktion im Wadi Wasiq, rund 35 km nördlich von Gheriat el-Garbia (Abb. 3), sowie um eine ländliche Siedlungsstelle im weiter nördlich gelegenen Wadi Taghiggia. Im Umfeld dieser Orte, an denen noch keine archäologischen Ausgrabungen durchgeführt wurden, konnten im Jahr 2010 aussagekräftige Ensembles an Oberflächenfunden aufgesammelt werden, darunter Fein- und Kochkeramik sowie Amphoren. Die Auswertung dieser Funde lässt Aufschlüsse zur Datierung der betreffenden Plätze, zu Handelsbeziehungen und zur Lebensweise der Bewohner erwarten. Parallel dazu erfolgt im Rahmen einer Kooperation zwischen dem LEIZA und der LMU (M. Mackensen) die Bearbeitung und Auswertung stratifizierter Fundkomplexe und von Surveyfunden aus dem Kastell von Gheriat el-Garbia, die während der Ausgrabungen 2009 und 2010 geborgen wurden und als Referenzmaterial den Fundserien aus dem Hinterland gegenüberzustellen sind.

In einem weiteren Schritt ist die georeferenzierte Erfassung und Interpretation der sichtbaren Bau- und Siedlungsstrukturen im Arbeitsgebiet auf Grundlage von Luft- und Satellitenbildern vorgesehen.

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Kontakt

Dr. Florian Schimmer
+49 6131 8885-182
Kontakt

  • Prof. Dr. Michael Mackensen (Ludwig-Maximilians-Universität München)

  • M. Mackensen, Das severische Vexillationskastell Myd(- - -)/Gheriat el-Garbia am limes Tripolitanus (Libyen), Bericht über die Kampagne 2009. Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Römische Abteilung 116, 2010, 363–458.
  • M. Mackensen, Das severische Vexillationskastell Myd(- - -) und die spätantike Besiedlung in Gheriat el-Garbia (Libyen). Bericht über die Kampagne im Frühjahr 2010. Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Römische Abteilung 117, 2011, 247–375.
  • F. Schimmer, New evidence for a Roman fort and vicus at Mizda (Tripolitania). Libyan Studies 43, 2012, 33–39.
  • M. Mackensen, Survey and excavation of the German archaeological mission at the Roman fort of Myd(---)/Gheriat el-Garbia and its vicinity, 2009/2010. Libya Antiqua NS VI 2011/12 (2016) 83–102.
  • M. Mackensen/F. Schimmer/S. Schmid/M. Weber, Keramik-Survey. In: M. Mackensen, Das severische Vexillationskastell Myd(---) / Gheriat el-Garbia am limes Tripolitanus (Libyen). I. Forschungsgeschichte, Vermessung, Prospektion und Funde 2009–2010. Münchner Münchner Beitr. Provinzialröm. Arch. 10 (Wiesbaden 2021) 155–214.

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