Pressemitteilung

Neue Untersuchungen zum steinzeitlichen Großgrabhügel auf dem Kapellenberg bei Hofheim am Taunus

Mainz/Hofheim. In der Grabungssaison vom 21. August bis zum 1. September 2023 intensivierten sich die archäologischen Untersuchungen am großen Grabhügel auf dem Kapellenberg. Bislang konnte er ungefähr um 4000 v. Chr. datiert werden, und stellt ein einzigartiges archäologisches Monument in Deutschland dar. Mithilfe von geomagnetischen Prospektionen im vergangenen Winter konnten Erkenntnisse zum Aufbau des Hügels gewonnen werden und mit den aktuellen Grabungen lässt sich der Errichtungszeitraum besser eingrenzen. Das Forschungsprojekt zur Besiedelung des Kapellenbergs ist Teil einer langjährigen Kooperation zwischen dem Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA), der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, der hessenARCHÄOLOGIE und der Stadt Hofheim. Studierende der Mainzer und Frankfurter Universitäten absolvierten auf der Grabung ihr Praktikum.

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 Ausgrabungsfläche mit Studenten

In der Grabungssaison vom 21. August bis zum 1. September 2023 intensivierten sich die archäologischen Untersuchungen am großen Grabhügel auf dem Kapellenberg.
© LEIZA / Ebru Esmen

Das Ziel der diesjährigen Kampagne, die Datierung des Grabhügels weiter einzugrenzen, half auch die Rolle des Monuments bei der Entstehung der Gesamtanlage besser zu verstehen. Projektleiter Professor Detlef Gronenborn (LEIZA) erläutert: „Es gibt um das Monument Hinweise auf Gruben, sie stehen im Zusammenhang mit der Errichtung des Hügels. Ihre Untersuchung erlaubt somit, auch den Errichtungszeitraum des Grabmonuments besser einzugrenzen. Zudem gibt uns die Ausdehnung eines Geröllpflasters unterhalb der Aufschüttung Hinweise auf die ehemalige Grundfläche des Monumentes. Unmittelbar nach seiner Errichtung war der Hügel sehr viel mächtiger und eindrucksvoller. Was Sie heute sehen, ist das Resultat eines über Jahrtausende laufenden Verfallsprozesses“.

Ergebnisse der geomagnetischen Untersuchungen

Die geomagnetischen Untersuchungen im Winter 2022 bestätigten die Vermutung, dass kaum Überreste einer Grabkammer zu finden sein werden. Erste Testgrabungen vor 10 Jahren hatten bereits deutlich gemacht, dass die künstliche Erhebung gegen Ende des 19. Jahrhunderts teilweise zerstört worden war. Man hatte sie seinerzeit für einen Teil des Walles gehalten. „Aufgrund der Bodenbeschaffenheit war von den Bestatteten auch im 19. Jahrhundert keine Spuren mehr erhalten geblieben, so hatte man den Grabhügel als solchen nicht erkannt“, erläutert der Projektleiter und fährt fort „sehr wahrscheinlich fand man bei den Erdbewegungen damals die bekannten steinernen Prunkbeile – eines aus Jade, eines aus Amphibolit. Heute wissen wir, dass solche Prunkbeile in Frankreich typische Beigaben in Gräbern der steinzeitlichen Eliten sind“. Beide Stücke sind Bestandteil der Ausstellung im Stadtmuseum Hofheim.

Metastudie: Soziale Konflikte und Kriege prägen Verfall gesellschaftlichen Zusammenhalts

Die Informationen lassen sich zu einem komplexen Bild nicht nur der Besiedlungsgeschichte des Kapellenberges, sondern auch der ihn umgebenden Landschaft zusammenfügen. Einer Landschaft, die nach 800 Jahren Besiedlungsgeschichte plötzlich verlassen wurde, aber heute noch rekonstruiert werden kann. „Die Archäologie gibt uns nicht nur Aufschluss darüber, warum es im Rhein-Main-Gebiet zur Entwicklung eines frühen politischen und wirtschaftlichen Zentrums gekommen ist, sondern auch, warum es nach Jahrhunderten der Blüte zu einem plötzlichen Kollaps kam“, so Gronenborn. Erst kürzlich wurde in Zusammenarbeit mit einem internationalen Team in einem wissenschaftlichen Artikel in Nature Scientific Reports zeigen, dass in den Jahrtausenden zwischen 7000 und 3000 v. Chr. der regelmäßige Verfall gesellschaftlichen Zusammenhalts und in der Folge soziale Konflikte und Kriege prägend für die geschichtlichen Abläufe waren. „Unsere Metastudie zeigt ein ernüchterndes Bild der menschlichen Geschichte, Konflikte und Kriege waren eher die Regel als die Ausnahme. Die bisherigen Forschungsergebnisse am Kapellenberg passen dazu leider sehr gut“, so Gronenborn. Die Zusammenhänge in werden in einem wissenschaftlichen Symposium im März 2024 in Hofheim mit Forschenden aus dem In- und Ausland diskutiert.

Sichtbare Forschung: Archäologischer Rundweg seit 2020 und in Kürze mit Virtual Reality zurück ins Neolithikum

In einem gemeinsamen Projekt mit der Stadt Hofheim und weiteren Partnern ist 2020 ein archäologischer Rundweg auf dem Kapellenberg eingeweiht worden. Dieser verdeutlicht die Spuren der Besiedlung, die bis in die Jungsteinzeit zurückreichen. Ein Höhepunkt ist die 6000 Jahre alte Wallanlage aus der Zeit der Michelsberger Kultur, die noch deutlich zu erkennen ist.

„Es ist immer ein besonderes Gefühl, sich am Kapellenberg aufzuhalten – einem Ort, an dem vor 6000 Jahren schon Menschen lebten, ihr Vieh züchteten und ihre Kleider webten“, so Bürgermeister der Stadt Hofheim Christian Vogt zur Bedeutung des Projekts . „Dennoch fällt es den meisten von uns schwer, sich die Siedlung wirklich vorzustellen – die Hütten, das Wegenetz, den Ringwall. Deshalb wird es im Stadtmuseum Hofheim künftig eine digitale Zeitreise ins Neolithikum geben. Mittels Virtual Reality wird man durch die Siedlung auf dem Kapellenberg laufen und die Hütten und den Grabhügel erkunden können.“ Finanziert wird dieses Projekt, das Professor Detlef Gronenborn maßgeblich betreut, durch das Landesprogramm „Starke Heimat Hessen“.

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Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA)

Das LEIZA erforscht als Leibniz-Forschungsinstitut und -museum für Archäologie die materiellen Hinterlassenschaften aus 3 Mio. Jahren Menschheitsgeschichte. Ziel ist es, anhand archäologischer Funde und Befunde menschliches Verhalten und Handeln, menschliches Wirken und Denken sowie die Entwicklung und Veränderung von Gesellschaften aufzuzeigen und zu verstehen. Als eines von acht Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft verbindet das LEIZA exzellente Wissenschaft mit Ausstellungen und ist mit seinem Bildungsauftrag gleichzeitig ein Ort des Dialoges mit der Öffentlichkeit. Das LEIZA ist weltweit tätig und betreibt bislang erfolgreich und umfassend Forschungen in verschiedenen Regionen Afrikas, Asiens und Europas. Die einzigartige Konzentration archäologischer, naturwissenschaftlicher, restauratorischer und informationstechnologischer Kompetenzen verbunden mit bedeutenden Werkstätten, Laboren und Archiven, erlaubt es dabei, objektorientierte Forschung zur Archäologie der Alten Welt (Asien, Afrika, Europa) von den Anfängen der Menschheitsgeschichte bis in die Neuzeit zu betreiben.

Das LEIZA war bis zur Umbenennung zum 1. Januar 2023 international bekannt als Römisch-Germanische Zentralmuseum (RGZM) und wurde im Jahr 1852 auf Beschluss der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine in Mainz gegründet. www.leiza.de

Pressekontakt

Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA)
Ludwig-Lindenschmit-Forum 1
55116 Mainz

Ebru Esmen M.A.
Pressearbeit und Onlinekommunikation

Deike Wichmann
Pressekontakt der Stadt Hofheim

Wissenschaftlicher Kontakt

Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA)
Ludwig-Lindenschmit-Forum 1
55116 Mainz

Prof. Dr. Detlef Gronenborn
Stv. Kompetenzbereichsleiter »Vorgeschichte«

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Ausgrabungstätte mit Studentinnen und Studenten im Wald auf dem Kapellenberg
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