»Unvollendete Technik«!? Eine experimentalarchäologische Studie am Modell eines Mayener Töpferofens um 1200 n. Chr.
Forschungsziel ist es, an einem konkreten Fallbeispiel Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von maßstäblich verkleinerten Modellen in der Experimentellen Keramikarchäologie auszuloten. Das 12./13. Jahrhundert ist in Mayen durch die Produktion von Proto- und Faststeinzeug gekennzeichnet. Die neuen Warenarten sind als Reaktion auf geänderte Konsumentenwünsche zu verstehen. Als ein Versuch, die mit der Produktion einhergehenden technologischen Herausforderungen besser beherrschen zu können, lässt sich der Töpferofen 11/1986 interpretieren. Er repräsentiert die Grundform E nach Redknap und wurde um 1200 errichtet. Seine Erbauer vereinten Elemente des stehenden und liegenden Ofenbauprinzips. Die Frage nach den Problemlösungsstrategien der Töpfer umreißen das Forschungsfeld: Wie versuchte man etablierte Ofenbauprinzipien für die neuen Herausforderungen zu variieren und wie versuchte man die verfügbaren Rohstoffe für die neuen Aufgaben anzupassen? Die Diskussion der Konstruktionsdetails zeigt sehr deutlich, dass es ein Bündel von Fragen gibt, zu denen eine Entscheidung getroffen werden muss, bevor eine betriebsfähige und sichere 1:1-Rekonstruktion gelingen kann. Aus diesem Grund fiel die Entscheidung für die Entwicklung eines technischen Modells. Ein solches Modell muss alle für die technische Rekonstruktion zur Diskussion stehenden Konstruktions- und Funktionsdetails beinhalten und alle wesentlichen Einwirkungsfaktoren auf diese berücksichtigen. Im konkreten Fall wurden die Faktoren Material, Statik, Benutzerfreundlichkeit und Temperaturverteilung als wirkungs- und klärungsrelevant definiert. Der Modellbau erfolgte weitgehend im Maßstab 1:3. Unter anderem muss bei Brennanlagen das Verhältnis zwischen Feuerungsbereich und Brennraum so angelegt sein, dass die Sauerstoffzufuhr ausreichend und der Feuerungsraum groß genug für die benötigte Brennmaterialmenge war, die hier während des Brandes maximal eingebracht werden musste. Kritische Konstruktionsbereiche wurden daher entsprechend angepasst, um die Funktionsfähigkeit zu gewährleisten. Der Zwischenschritt eines Modellbaus, als Vorbereitung auf die 1:1-Rekonstruktion, dient zusammengefasst dem Zweck, Argumente für und wider strittiger Rekonstruktionsvarianten zu erarbeiten. Ihre Erprobung im Rahmen eines funktionsfähigen technischen Modells bietet die Möglichkeit, den Weg dorthin transparent und nachvollziehbar zu dokumentieren.
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Kontakt
- Dr. Michael Herdick
- +49 6131 8885-671 -671
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Projektzeitraum
- 01.2019 - 12.2020
Unterstützung
Stiftung Zukunft Sparkasse Koblenz- Döhner u. a. 2021: G. Döhner – L. Grunwald – E. Hanning – M. Herdick – A. Axtmann, „Unvollendete Technik“!? Eine experimentalarchäologische Studie am Modell eines Mayener Töpferofens (2. Hälfte 12./1. Hälfte 13. Jahrhundert), in: M. Gierszewska-Noszczyńska – L. Grunwald (Hrsg.), Zwischen Machtzentren und Produktionsorten. Wirtschaftsaspekte von der römischen Epoche bis in das Hochmittelalter am Rhein und seinen Nachbarregionen., RGZM-Tagungen 44 (Mainz 2021), 407-420.
https://doi.org/10.11588/propylaeum.996
Das methodische Fazit dieser Studie lässt sich wie folgt formulieren: Der anvisierte Nutzen des Modelleinsatzes ist die Reduktion des ökonomischen Aufwandes auf dem Weg zur Realisierung einer 1:1-Rekonstruktion. Am Modell können Zweifel an der Plausibilität einer Rekonstruktionsvariante mit geringerem Aufwand korrigiert und alternative Varianten erprobt werden, noch bevor es zur Ausführung einer endgültigen 1:1-Rekonstruktion kommt. Untersuchungen an einem maßstabreduzierten Töpferofenmodell können jedoch nicht die experimentalarchäologische Analyse einer 1:1-Rekonstruktion ersetzen, weil sich die keramiktechnologischen Rahmenbedingungen eines Originalbefundes eben nicht einfach verkleinern lassen. Das gilt auch und gerade für die wichtigen Parameter der Temperaturentwicklung und -verteilung im Ofen. Hierzu können am Modell nur Tendenzen erfasst werden, da diese Faktoren immer in Abhängigkeit zur Größe der Brennanlagen stehen.