Untersuchung zur Herstellungstechnik spätrömischer Diatretgläser
Eine der zentralen Fragestellungen des Projektes ist die bis heute kontrovers diskutierte Fertigungstechnik dieser Materialgruppe. Um die Versachlichung dieser Debatte zu befördern, vor allem aber anhand neuer, detaillierterer Erkenntnisse unser Wissen um die Herstellung der Diatretgläser zu vertiefen und zu erweitern, wurden daher in den Restaurierungswerkstätten des Römisch-Germanischen Zentralmuseums (RGZM), Mainz in den letzten Jahren Fragmente der eigenen Sammlung, aus Trier (Trier Saarstraße, Nikolausstraße, Kaisertherme und Konz), Czéke Ceijkov (heute im Kunsthistorischen Museum Wien) sowie Dülük Baba Tepesi/Doliche, Türkei (Scherben dreier verschiedener, dichromatischer Gefäße) untersucht. Ende 2012 wurde eine Kooperation zur Restaurierung/Konservierung und herstellungstechnischen Untersuchung des Diatretglases aus dem Kriegergrab in Taraneš, Mazedonien, vereinbart und erfolgreich durchgeführt; 2017 eine Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Institut mit Museum der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften und den Historischen Museen Sofia und Yambol zur Untersuchung der vier bis dahin bekannten Diatretgläser Bulgariens. 2021 ergab sich auf Anfrage der Kollegen des Institut National de Recherches Archaéologiques Préventives (Inrap) die einmalige Gelegenheit ein fundfrisches, nahezu vollständig erhaltenes, jedoch stark fragmentiertes Diatretglas zu restaurieren und technologisch zu erforschen.
Die systematische und damit auch vergleichbare Untersuchung bisher bekannter Gläser wird die aktuellen Forschungen maßgeblich befördern und bildet derzeit noch ein Desiderat der Erforschung römischer Glastechnologie. Im Rahmen der in den letzten Jahren geleisteten Arbeiten wurde als Grundlage dafür ein umfangreicher Kriterienkatalog erstellt und eine Förderung zur Konzeption einer Open-Access-Datenbank aus Mitteln des eHeritage-Programms des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) eingeworben. Eine solche Datenbank sollte nicht nur allen Interessierten einen leichteren Zugriff auf Forschungsdaten aus nahezu zwei Jahrhunderten gewähren, sondern kontinuierlich mit neu gewonnenen Daten erweitert werden. Praktische Anwender-Tools sollten eine bessere Analysierbarkeit der verfügbaren Daten gewährleisten. Bedauerlicherweise war die Umsetzung dieses Konzeptes schlussendlich nicht mehr gewünscht.
In den laufenden Forschungen soll durch standardisierte Untersuchungen tiefergehend auf unterschiedliche Aspekte der Diatretgläser eingegangen werden. So können präzise, spezifische Objektgruppen gebildet werden, die wiederum Aufschluss über zentrale Fragen der Herstellung geben können (gab es mehr als eine Technik der Herstellung? Welche Entwicklung hat zwischen dem ersten und dem vierten Jahrhundert stattgefunden? Müssen einzelne Gläser zeitlich differenzierter eingeordnet werden als bisher angenommen? etc.).
Ein weiteres Ziel ist es, nicht nur anhand der Fundorte, sondern darüber hinaus insbesondere für die Herstellung der Gläser eine räumliche Zuordnung vorzunehmen. Diese könnte bei der Beantwortung der Frage helfen, ob beispielsweise hochspezialisierte Glasmacher an festen Orten produzierten oder ob es sich um reisende Spezialisten handelte, die jeweils an verschiedenen Orten ihre Kunst ausübten.
In der naturwissenschaftlichen Untersuchung der Materialzusammensetzung liegt ein weiterer Aspekt des Forschungsvorhabens. Man erhofft sich von den Ergebnissen eine konkretere Zuordnung zu spezifischen Rohglasherstellungsstätten der Antike, die wiederum nur die wenigen hochspezialisierten Glasmacher oder -veredler belieferten.
Die dazu erforderlichen naturwissenschaftlichen Untersuchungen (z. B. RFA - oder ICP-MS Analysen) der Spurenelemente in der Glasmatrix können in Mainz durchgeführt werden.
Zweifellos können Diatrete als „luxuriöse Hightech-Produkte“ beschrieben werden. Grade im Gegensatz und im Vergleich zu römischen Alltags- und Gebrauchsgläsern können sie daher einen kleinen, gleichwohl wertvollen Beitrag zu unserem Wissen über römische Glastechnologie und Technologietransfer, sowie zu Verteilungsstrukturen und anderen Marktmechanismen beitragen.
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Kontakt
- Katja Broschat
- +49 6131 8885-0
Team
Projektzeitraum
- Seit 01.2011
Unterstützung
2017 Förderung im Rahmen des ‚eHeritage‘-Programms des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF)- Archäologisches Institut mit Museum der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften
- Historisches Museum Sofia
- Historisches Museum Yambol
- Kunsthistorisches Museum Wien
- Mazedonisches Nationalmuseum, Skopje
- Rheinisches Landesmuseum Trier
- Hochschule Mainz, i3mainz - Institut für Raumbezogene Informations- und Messtechnik
- Institut National de Recherches Archaéologiques Préventives
- K. Broschat / C. Höpken / C. Fossurier / N. Tisserand, The Saint-Pierre-l'Estrier cage cup. 2023, Festschrift, eingereicht.
- K. Broschat, A Glint of Light on Broken Glass – A ‘Hot’ Repair on a Late Roman Cage Cup from Autun, Journal of Glass Studies 64, 2022, 269-273.
- K. Broschat / M. Surbanoska / S. Greiff, Der Taraneš-Becher: Neue Informationen über einen alten Fund. Journal of Glass Studies 59, 2017, 101-116.
- K. Broschat, Open-Access Database for Roman Cage Cups Planned. Journal of Glass Studies, Bd. 58, 2016, 294-295.