Forschungsprojekt

Neues aus der Stauferzeit: "Diligite iustitiam qui iudicatis terram"

Zur Restaurierung und kulturhistorischen Einordnung einer bislang unbekannten romanischen Herrscherfigur

Zusammengefasst

Das Projekt beschäftigte sich mit der interdisziplinären Erforschung einer bislang unbekannten vergoldeten Figur eines in majestas thronenden Königs mit unbekanntem Fundort, die am RGZM im Winter 2007/2008 restauriert wurde. Die Figur ist ein Fragment. Es handelt sich um ein sehr qualitätvolles Objekt der mittelalterlichen Schatzkunst. Besonders bemerkenswert ist der erhobene rechte Arm in Verbindung mit dem frei aufgestützten linken Arm. Ein dreidimensionales Vergleichsstück konnte nicht ermittelt werden; auch das macht die Figur außergewöhnlich.

Das ungewöhnliche Stück provozierte mehrere Fragen. Die erste davon war, welchen Gegenstand die Figur einst in ihrer erhobenen rechten Hand hielt, denn dieser fehlt. Damit verbunden war die Frage nach der Aussage und Funktion der Figur. Dies bedingte nach der Ermittlung des fehlenden Gegenstandes eine Entschlüsselung der dargestellten Posen und Gesten. Zum anderen ging es um die Herstellungstechnik, die kunsthistorische Einordnung und einen Datierungsvorschlag. Eine weitere Frage war, was der Goldschmied, der die Figur erschaffen hat, sich bei ihrer Gestaltung gedacht haben könnte. Deswegen wurde die Formensprache der Figur auch auf ihre Rationalität hin analysiert. Ein vierter Fragenkomplex betraf die Ermittlung einer möglichen Auffindungsregion und des Objekttyps, zu dem die Figur einst gehört haben könnte. Am Ende sollte ein belastbarer Identifizierungsvorschlag stehen: wen könnte die Figur sinnvollerweise darstellen? Um diese Fragen zu beantworten, wurden umfangreiche Literaturrecherchen und Besichtigungsprogramme, aber auch technologische Untersuchungen durchgeführt (RFA-Materialanalytik, Radiologie).

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Kontakt

Stephan Patscher
+49 6131 8885-150
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Projektzeitraum

01.2011 - 12.2018
Dieses Projekt ist abgeschlossen.

Die Figur hielt einst ein Schwert in der erhobenen Rechten. Wie der identische Kanon an Posen und Zeichen bei dem thronenden Herrscher auf dem Hofgerichtssiegel Kaiser Friedrichs II. von 1235/1236 nahelegt, hat man es auch bei der Figur mit einem Symbol herrscherlicher Gerechtigkeit zu tun. Das Siegel war aber kein Vorbild; eher könnte es sich umgekehrt verhalten, denn die Figur ist älter (letztes Viertel 12. Jh.) und stammt wahrscheinlich aus Südwestdeutschland, der Heimatregion des Albert von Roßwag, dem ersten Hofrichter Friedrichs II., der das Siegel gut im Namen des Kaisers beauftragt haben könnte. Der Objekttyp, zu dem die Figur einst gehörte, ließ sich nicht ermitteln. Der Befestigungszapfen legt die Fixierung an einem waagerechten Element nahe, das etwas weniger stark war, als der Befestigungszapfen lang. In einer Nische war sie aber wohl nicht aufgestellt, denn alle ihre Seiten sind sorgfältig ausgestaltet. Die Figur besteht aus feuervergoldetem Kupferguss. Aufgrund der ungünstigen Masseverteilung war es beim Guss zu kleinen Gussfehlern gekommen; die Anfertigung derartiger Figuren zählte wohl nicht zu den Routinearbeiten des Goldschmiedes. Gestalterisch ist es dem Goldschmied vor allem darum gegangen, die inhaltliche Kernaussage zu verdeutlichen. Dabei hat er auch sehr rational zum Mittel der darstellerischen Verkürzung gegriffen, um alle nötigen Informationen zu transportieren und gleichzeitig den handwerklichen Aufwand zu begrenzen, ein schönes Beispiel für "handwerkliches Denken". Durch die Umschrift seines Hofgerichtssiegels ("Diligite iustitiam qui iudicatis terram") hat sich Kaiser Friedrich II. demonstrativ in die Tradition des biblischen Königs Salomon gestellt, denn es handelt sich um den Beginn des apokryphen "Buchs der Weisheit Salomos". Entsprechend liegt – auch aufgrund der Jugendlichkeit des Dargestellten – eine Deutung der Figur als Darstellung Salomos nahe. Es ist allerdings ein "staufischer Salomo", denn wie später der Herrscher auf dem Hofgerichtssiegel erhebt er das "Gladius materialis" selbst und nicht auf "Wink des Papstes", wie es der einflussreiche Zisterzienserabt Bernhard von Clairvaux im 12. Jahrhundert gelehrt hatte. Damit repräsentiert die Figur die von den Staufern vertretene traditionelle Auslegung der "Zwei-Schwerter-Lehre". Nach dem Ende der Staufer hielten die Römisch-Deutschen Herrscher beginnend mit König Rudolf von Habsburg auf ihren Hofgerichtssiegeln das Schwert dann waagerecht über dem Schoß, ganz so wie in der Bibel des Zisterzienserabtes Stephan Harding von Cîteaux aus dem ersten Drittel des 12. Jahrhunderts dargestellt.

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