Nach CT-Untersuchungen: Konservierungsverfahren weiterentwickeln und Ergebnisse veröffentlichen

Ein Interview mit Ingrid Stelzner

In unserer Reihe "High-Tech für die Steinzeit – Zerstörungsfreie Untersuchungen an steinzeitlichen Radfunden"haben wir im Juni 2022 Expert:innen interviewt, die die archäologischen Artefakte aus ihrem fachlichen Blickwinkel beleuchten.

Heute spricht Christina Nitzsche vom Arbeitsbereich Kommunikation des LEIZA mit Dr. Ingrid Stelzner, Spezialistin für die Konservierung von archäologischen organischen Objekten und wissenschaftliche Mitarbeiterin am RGZM. Sie leitet dort das Projekt „CuTAWAY“, das die Konservierungs- und Materialanalyse von archäologischen Hölzern erforscht. Sie war 2009-2019 mit der Konservierung und Restaurierung mehrerer steinzeitlicher Radfunde betraut. Mit ihr sprechen wir heute darüber, welchen Aufschluss uns die CT-Untersuchungen archäologischer Hölzer über Konservierungsverfahren geben können.

Frau Stelzner, erklären Sie uns: Warum ist es so wichtig, dass Holzobjekte nach der Bergung schnell konserviert werden?

Objekte aus vergänglichen Materialien wie Holz können sich über Jahrtausende unter Luftabschluss, meistens im Wasser, erhalten. Jedoch werden sie während der Bodenlagerung zumeist stark abgebaut. Die abgebauten Zellwände und Hohlräume haben sich mit Wasser aus der Umgebung gefüllt. Wird dieses Wasser nach der Bergung bei einer unkontrollierten Trocknung entfernt, kollabiert und reißt der archäologische Fund bis zur Unkenntlichkeit. Die Konservierungsverfahren zielen darauf ab, dies zu verhindern und das Objekt dauerhaft zu stabilisieren. Nach einer erfolgreichen Konservierung sind die Funde für die weitere Forschung aber auch für Ausstellungen verfügbar. 

Welche Methoden gibt es denn?

Es gibt sehr unterschiedliche Methoden. Im Allgemeinen erfolgt nach der Reinigung und Dokumentation der nassen Objekte die Tränkung in einer Konservierungslösung. Sind die Konservierungsmittel zur Stabilisierung der abgebauten Struktur eingebracht, werden die Funde aus den Bädern genommen und getrocknet. Je nach Vorgehensweise trocknen die Objekte kontrolliert an der Luft, oder das Lösungsmittel wird teilweise im Vakuum entfernt. Ein anderes Verfahren ist die schonende Gefriertrocknung, die beispielsweise auch in der pharmazeutischen Industrie oder der Lebensmittelindustrie angewendet wird, um Wirkstoffe oder Geschmacksstoffe haltbar zu machen. Hier wird zunächst die im Objekt verbliebene wässrige Konservierungslösung eingefroren. Während der sogenannten Sublimation geht das gefrorene Wasser direkt in den gasförmigen Aggregatzustand über. Damit wird die flüssige Phase verhindert und die Zellstrukturen sind während der Trocknung keinen Kapillarkräften des flüssigen Wassers ausgesetzt.

Zu welchem Ergebnis kommen Sie, nachdem Sie die steinzeitlichen Räder mit der Computertomographie untersucht haben?

Für uns war das sehr spannend, denn erstmals können wir in größerem Umfang den Erfolg von Konservierungsverfahren in der Holzstruktur von archäologischen Funden zerstörungsfrei beurteilen. Zudem können wir hierdurch lernen, wie die einzelnen Konservierungsmethoden wirklich funktionieren und die Verfahren entsprechend weiterentwickeln. Durch den Einblick in die inneren Bereiche von Holzobjekten können wir außerdem Schäden erkennen und entsprechend gezielt mit Montagen und Verpackungen für eine optimale Unterstützung und Bewahrung unseres kulturellen Erbes sorgen. Schön ist, dass im Neubau des RGZM bald ein Computertomograph zur Verfügung steht, mit dem man archäologische Objekte zerstörungsfrei untersuchen kann

Wie wurden die untersuchten Räder denn konserviert?

Bisher wurden sehr verschiedene Konservierungsverfahren eingesetzt, um die oben beschriebenen Reaktionen zu verhindern. Diese Vielzahl an unterschiedlichen Methoden, die es gibt, wird auch an den Funden ersichtlich: Ein Rad wurde beispielsweise mit Melaminharz konserviert und anschließend wurde der Fund langsam getrocknet. Bei einer anderen Methode, der Alkohol Ether Harz Methode wurde hingegen zunächst das Wasser durch organische Lösungsmittel ausgetauscht, die eine geringere Oberflächenspannung haben als Wasser. Nach der Tränkung in einer Konservierungslösung wurde der Fund im Vakuum getrocknet. Ein weiteres Verfahren, das vor allem in den 1990ger Jahren Verwendung fand, ist die Konservierung mit Haushaltszucker in aufsteigenden Konzentrationen. Ein sehr weit verbreitetes Verfahren ist die Konservierung mit wässrigen Lösungen aus Polyethylenglykol, einem langkettigen Polymer. Nach der Tränkung wird das Wasser mit Hilfe der Gefriertrocknung aus dem Fund entfernt. 

Haben Sie denn schon einen Favoriten, wie zukünftig konserviert werden sollte? 

Das Ziel aller konservatorischen Maßnahmen ist eine Stabilisierung der Dimensionen bzw. des Volumens, die Funde sollten nicht reißen, schrumpfen oder kollabieren. Zudem ist eine mechanische Stabilisierung der abgebauten und dadurch fragilen Substanz wichtig. Dabei ist es wichtig, dass die Struktur immer noch porös bleibt, also nicht vollkommen abgedichtet ist. Denn, obwohl bei der Konservierung Produkte verwendet werden, die eine hohe Alterungsstabilität aufweisen, sollten die Struktur viele Jahre nach der Behandlung zugänglich sein, um die Funde ggf. zu stabilisieren. Die Veränderungen durch die Konservierungsverfahren sieht man besonders eindrücklich in den Aufnahmen der Computertomographie. In unseren vergleichenden Studien konnten wir zeigen, dass neben der Qualität der computertomographischen Daten, die Holzart, der Zustand des Objektes aber auch die Konservierung eine große Rolle spielen: Bei einigen der untersuchten Rädern sind Detailinformationen von der Holzstruktur durch die Anwendung vergangener konservatorischer Verfahren nicht mehr erkennbar, so bleiben uns die benötigten Informationen bisher noch teilweise verborgen. Die holzanatomischen Informationen auch nach der Konservierung auswerten zu können wäre ein großer Vorteil. Denn Forscher zukünftiger Generationen werden vermutlich neue Fragen an die einzigartigen Originale stellen... Und da es sich bei archäologischen Objekten letztlich auch um Ausstellungsstücke handelt, sind natürlich ästhetische Gesichtspunkte sehr wichtig: Die konservierten Funde sollten ihren spezifischen Charakter nicht verlieren und das Material Holz sollte als solches auch sichtbar sein. Jahrelange Erfahrungen in der Holzkonservierung liegen bei der Konservierung mit Polyethylenglykol und der Gefriertrocknung vor.

Was sind die weiteren Vorhaben im CutAWAY-Projekt?

Neben der Untersuchung der zerstörungsfreien Dendrochronologie wie im Beispiel der Radfunde, hat das Projekt auch einen konservierungswissenschaftlichen Schwerpunkt: Anhand der im RGZM befindlichen Referenzsammlung für konservierte archäologische Hölzer überprüfen wir mit Hilfe bildgebender Verfahren, wie der Computertomographie, wie die gängigen Verfahren in der Nassholzkonservierung genau funktionieren und etwa zu einer gleichmäßigen Stabilisierung führen. Die im Projekt gewonnenen Daten und Ergebnisse werden in einer Datenbank open access publiziert werden, damit sie allen Forschern weltweit zur Verfügung stehen. Damit möchten wir einen Teil dazu beitragen, dass wir unser Kulturgut besser für die künftigen Generationen erhalten und gleichzeitig grundlegende Vergleichsdaten bereitstehen, um archäologische Funde zu erforschen.

Haben Sie vielen Dank für das Gespräch, Frau Stelzner!

Das Interview führte Christina Nitzsche, Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Kommunikation des Leibniz-Zentrums für Archäologie (LEIZA).

Über das Projekt

Im Projekt „CuTAWAY“ erforschen Wissenschaftler:innen welche Konservierungsverfahren am besten geeignet sind, seltene archäologischen Objekte aus Holz zu stabilisieren. Außerdem erproben sie eine zerstörungsfreie Datierung anhand der Computertomographie (DendroCT).

Für dieses Verfahren werden gerade acht steinzeitliche Radfunde aus der Region der Alpenländer untersucht, darunter eines der ältesten Holzräder aus dem Laibacher Moor in Slowenien sowie über achtzig weitere konservierte Holzproben aus der Referenzsammlung des LEIZA in Mainz.

Das DendroCT-Verfahren wird gemeinsam mit Physikern und Ingenieuren an der Hochschule Luzern (HSLU) und Dendrochronologen aus dem Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart umgesetzt.

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