Forschungsprojekt

ARS3D African Red Slip Ware digital

3D-Dokumentation für die multiperspektivische Analyse einer zentralen Objektgattung der Spätantike

Zusammengefasst

Die Ikonographie der mit Hilfe von Appliken angebrachten spätantiken und frühchristlichen Motive der African Red Slip Ware (ARS)-Keramikgefäße ist zentral für das Verständnis spätantiker Vorstellungswelten. Als massenproduzierte Bildträger verbreitete sich die ARS im 3.–5. Jh. im gesamten Mittelmeerraum und darüber hinaus. Das BMBF-geförderte Projekt erschließt diese Objektgattung durch 3D-Digitalisierung und semantische Modellierung. Mit Hilfe dieser Methoden stehen ein Online-Referenz-Katalog, eine digitale Forschungsplattform und Linked Open Data zur Nachnutzung zur Verfügung.

Die zentrale Fragestellung des vom BMBF geförderten Kooperationsprojektes (i3mainz und LEIZA) bezieht sich auf die Etablierung standardisierter digitaler Prozesse, womit die geometrische Erfassung bzw. Entzerrung von Appliken-Motiven eine Grundlage für Vergleiche zur Festellung identischer Model bildet. Daraus leitet sich die Frage zur Generierung automatischer Schlussfolgerungen zu Vergleichen ab. Dazu wird ein Prozess entwickelt, in dem ein semantisches Regelwerk (Ontologie) automatisiert anhand archäologischer und geometrischer Kriterien darüber entscheidet, wie “ähnlich” sich solche Motive sind. Darüber hinaus stellt sich die Frage nach einer CIDOC-CRM basierten semantischen Modellierungsstrategie von Bildmotiv-Interpretationen (z. B. Heilung des Gelähmten oder Herkules und der Nemeische Löwe) zur Nachnutzung, welche auf Argumentationsketten und Observierungen von Objektmerkmalen (Features) fußt.

Weil es mit bisherigen Verfahren nicht gelang, einen automatisierten Prozess zur Verebnung von Applik-Geometrien (eine Abrollung von unterschiedlich gekrümmten 3D-Flächen in die 2D-Ebene) zu realisieren, war das Forschungsziel des Projekts, spezialisierte Workflows und Algorithmen zu entwickeln, welche als Grundlage für Vergleiche zwischen Appliken-Motiven und archäologisch-semantischen Beschreibungen dienen. Die digitale Erfassung der ARS-Bestände des LEIZA mittels 3D-Verfahren (Streifenlichtprojektionsscanning) und die zuvor erwähnten vom i3mainz entwickelten Workflows und Algorithmen ermöglichen es nun, potentiell identische Appliken zu vergleichen oder ihre Negativformen (Matrizen/Model) sowie daraus erstellte Appliken zuzuweisen.

Die digitale Methodik fußt auf der Erstellung von Annotationen auf Basis archäologisch-semantischer Modellierung mit den Ontologien CIDOC-CRM und PROV-O, die zu jedem Objekt und Objektmerkmal (z. B. Appliken) angelegt werden. Dadurch können Bildkontexte und -inhalte, archäologische Metainformationen (z. B. Material, Form), sowie Metadaten zur geometrischen Aufnahme interoperabel zur Nachnutzung bereitgestellt werden. Durch eine Transformation zu Linked Open Data und die Verknüpfung von Begriffskonzepten zu externen Repositorien (z. B. Getty AAT, IconClass, Wikidata) entsteht zudem ein Anschluss an die Linked Open Data Cloud. Als Grundlage für Methoden zu automatisierten Vergleichen werden sowohl rein geometrische, als auch archäologische Regelwerke unabhängig voneinander entwickelt, welche durch eine gewichtete, gemeinsame Entscheidungsstruktur zu regelbasierten Aussagen führen. Durch die abschließende Bereitstellung der gescannten und annotierten Daten auf einer Online-Plattform entsteht ein Referenzkatalog, der die Klassifizierung und Bestimmung von Appliken im digitalen Raum ermöglicht.

  • Hochschule Mainz, i3mainz – Institut für Raumbezogene Informations- und Messtechnik

  • Thiery, Florian, Karmacharya, Ashish and Rokohl, Louise. 2019. ‘ARS3D – Documenting facts and interpretations of African Red Slip Ware’. In CAA2019. Check Object Integrity. Proceedings of the 47rd Annual Conference on Computer Applications and Quantitative Methods in Archaeology. [in review]
  • Atorf, Philipp, Justus, Carina, Karmacharya, Ashish, Rokohl, Louise and Boochs, Frank. 2019. ‘Similarity analysis of African Red Slip Ware (ARS) with modern 3D and 2D processing techniques’. In CAA2019. Check Object Integrity. Proceedings of the 47rd Annual Conference on Computer Applications and Quantitative Methods in Archaeology. [in review]
  • Hofmann, Kerstin. 2019. ‘Ding-Editionen. Vom archäologischen (Be-)Fund übers Corpus ins Netz’. Edited by Susanne Grunwald, Franziska Lang, Ulrike Peter, Katja Rösler, Louise Rokohl, Stefan Schreiber, Karsten Tolle, and David Wigg-Wolf. e-Forschungsberichte des DAI, Fasc.2 (2019), 1–12. URL: https://publications.dainst.org/journals/index.php/efb/article/view/2236.
  • Heinz, Guido, and Rokohl Louise. 2019. ‘3D-Dokumentation von Sammlungsobjekten und Datenanalyse im RGZM’. In 9. Workshop der AG CAA Deutschland, Talk. Wilhelmshaven, Germany.
  • Thiery, Florian, Ashish Karmacharya, and Louise Rokohl. 2019. ‘ARS3D - Documenting Facts and Interpretations of African Red Slip Ware’. In Computer Applications and Quantitative Methods in Archaeology, Talk. Kraków, Polen: Zenodo.https://doi.org/10.5281/ZENODO.2648210.
  • Atorf, Philipp, Justus, Carina, Karmacharya, Ashish, Rokohl, Louise, and Boochs, Frank. 2019. ‘Similarity analysis of African Red Slip Ware (ARS) with modern 3D and 2D processing techniques’. In Computer Applications and Quantitative Methods in Archaeology, Talk. Kraków, Poland.
  • Karmacharya, Ashish, Rokohl, Louise, and Thiery, Florian. 2019. ‘African Red Slip Ware als Graph: Modellierung in CIDOC-CRM im ARS3D-Project’. In Graph Technologies in the Humanities 2019: Modellierung, Erschließung, Vergleich: Graphen in den Digitalen Geisteswissenschaften, Talk. Mainz, Germany.
  • Rokohl, Louise. 2018. ‘African Red Slip Ware digital – Mit 3D-Dokumentation und Ontologie zur Online-Edition’. In Ding-Editionen: Vom Artefakt übers Corpus ins Netz, Talk. Frankfurt am Main, Germany.

Mit Abschluss des Projekts steht die vollständige Sammlung African Red Slip Ware des LEIZA in einem Online-Referenz-Katalog in einem Online-Portal zur Verfügung. Für jedes Objekt werden hochauflösende 3D-Modelle, Metadaten und archäologische Informationen bereitgestellt. Das webbasierte Open Source framework 3DHOP ermöglicht eine individuelle Analyse im Browser, z. B. den Einsatz verschiedener Licht-, Textur- und Messwerkzeuge. Durch die semantische Modellierung der archäologischen Fachinformationen auf Basis von CIDOC-CRM und dessen Erweiterungen, sowie Verlinkungen zu LEIZA-eigenen sowie externen Repositorien, sind die annotierten Forschungsdaten, menschen- und maschinenlesbar, wurden zu Projektende als Linked Open Data publiziert und sind somit für weitergehende Forschungsfragen nachnutzbar.

Zur Etablierung eines Verfahrens zu Appliken-Vergleichen konnte ein automatisierter, auf geometrischen und archäologischen Prozessen basierender Vergleichsworkflow von Appliken oder Modeln entwickelt werden. Der daraus resultierende Vergleichsviewer ermöglicht die simultane Betrachtung zweier Appliken oder Model. Dies beinhaltet ein synchronisiertes Zoomen und Verschieben, sowie die Möglichkeit zur Einblendung verschiedener Bildebenen. Diese umfassen ein anpassbares Höhendifferenzbild, verschiedene Transparentstufen des Vergleichsobjekts, sowie ein Bild mit Restklaffen der Verschiebung aus dem Matchingprozess. Für die Bewertung der Ähnlichkeit zweier Appliken oder Model, wurde jeder Vergleich geometrisch bewertet und anschließend einer archäologischen Einschätzung unterzogen. Daraus ergibt sich eine Gesamtbeurteilung des Vergleichs, die über das Online-Portal zur Verfügung gestellt wird.

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